Vom 28. März 1849
Abschnitt I
Das ReichArtikel I
§ 1
Das Deutsche Reich besteht aus dem Gebiete des bisherigen Deutschen Bundes.
Die Festsetzung der Verhältnisse des Herzogtums Schleswig bleibt vorbehalten.
Hat ein
deutsches Land mit einem nichtdeutschen Land dasselbe Staatsoberhaupt,
so soll das deutsche Land eine von dem nichtdeutschen Lande
getrennte eigene Verfassung, Regierung und Verwaltung haben. In die
Regierung und Verwaltung des deutschen Landes dürfen nur deutsche
Staatsbürger berufen werden.
Die Reichsverfassung und Reichsgesetzgebung hat in einem solchen
deutschen Lande dieselbe verbindliche Kraft, wie in den übrigen
deutschen Ländern.
Hat ein deutsches Land
mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so muß
dieses entweder in seinem deutschen Lande residieren, oder es muß auf
verfassungsmäßigem Wege in demselben eine Regentschaft niedergesetzt
werden, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.
Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher
und nichtdeutscher Länder soll kein
Staatsoberhaupt eines nichtdeutschen Landes zugleich zur Regierung
eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone
annehmen.
Die einzelnen deutschen
Staaten behalten ihre Selbständigkeit, soweit dieselbe nicht durch die
Reichsverfassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und
Rechte, soweit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen
sind.
Die Reichsgewalt ausschließlich übt
dem Auslande gegenüber die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands
und der einzelnen deutschen Staaten aus.
Die Reichsgewalt stellt die Reichsgesandten und die Konsuln an. Sie
führt den diplomatischen Verkehr, schließt die Bündnisse und Verträge
mit dem Auslande, namentlich auch die Handels- und Schiffahrtsverträge,
sowie die Auslieferungsverträge ab. Sie ordnet ale völkerrechtlichen Maßregeln an.
Die
einzelnen deutschen Regierungen haben nicht das Recht, ständige
Gesandte zu empfangen oder solche zu halten.
Auch dürfen dieselben keine besonderen Konsuln halten. Die Konsuln
fremder Staaten erhalten ihr Exquatur von der Reichsgewalt.
Die Absendung von Bevollmächtigten an das Reichsoberhaupt ist den
einzelnen Regierungen unbenommen.
Die einzelnen
deutschen Regierungen sind befugt, Verträge mit anderen deutschen
Regierungen abzuschließen.
Ihre Befugnis zu Verträgen mit nichtdeutschen Regierungen beschränkt
sich auf Gegenstände des Privatrechts, des nachbarlichen Verkehrs
und der Polizei.
Alle Verträge nicht rein privatrechtlichen
Inhalts, welche eine deutsche Regierung mit einer anderen deutschen
oder nichtdeutschen abschließt, sind der Reichsgewalt zur Kenntnisnahme
und, insofern das Reichsinteresse dabei beteiligt ist, zur
Bestätigung vorzulegen.
Der Reichsgewalt ausschließlich steht das
Recht des Krieges und Friedens zu.
Der Reichsgewalt
steht die gesamte bewaffnete Macht Deutschlands zur Verfügung.
Das Reichsheer besteht aus der gesamten, zum
Zwecke des Krieges bestimmten Landmacht der einzelnen deutschen
Staaten. Die Stärke und Beschaffenheit des Reichsheeres wird durch das
Gesetz über die Wehrverfassung bestimmt.
Diejenigen Staaten, welche weniger als 500000 Einwohner haben,
sind durch die Reichsgewalt zu größeren militärischen Ganzen, welche
dann unter der unmittelbaren Leitung der Reichsgewalt stehen, zu
vereinigen, oder einem angrenzenden größeren Staate anzuschließen.
Die näheren Bedingungen einer solchen Vereinigung sind in beiden
Fällen durch Vereinbarung der beteiligten Staaten unter Vermittlung
und Genehmigung der Reichsgewalt festzustellen.
Die Reichsgewalt ausschließlich
hat in betreff des Heerwesens die Gesetzgebung und die Organisation;
sie überwacht deren Durchführung in den einzelnen Staaten durch
fortdauernde Kontrolle.
Den einzelnen Staaten steht die Ausbildung ihres Kriegswesens auf
Grund der Reichsgesetze und der Anordnungen der Reichsgewalt und
beziehungsweise in den Grenzen der nach § 12 getroffenen Vereinbarungen
zu. Sie haben die Verfügung über ihre bewaffnete Macht, soweit
dieselbe nicht für den Dienst des Reiches in Anspruch genommen wird.
In den Fahneneid ist die Verpflichtung zur Treue
gegen das Reichsoberhaupt und die Reichsverfassung an erster Stelle
aufzunehmen.
Alle durch Verwendung von Truppen zu
Reichszwecken entstehenden Kosten, welche den durch das Reich
festgesetzten Friedensstand übersteigen, fallen dem Reiche zur Last.
Über eine allgemeine für ganz Deutschland
gleiche Wehrverfassung ergeht ein besonderes Reichsgesetz.
Den Regierungen der einzelnen
Staaten bleibt die Ernennung der Befehlshaber ünd Offiziere ihrer
Truppen, soweit deren Stärke sie erheischt, überlassen.
Für die größeren militärischen Ganzen, zu denen Truppen mehrerer
Staaten vereinigt sind, ernennt die Reichsgewalt die gemeinschaftlichen
Befehlshaber.
Für den Krieg ernennt die Reichsgewalt die kommandierenden
Generäle der selbständigen Korps sowie das Personal der Hauptquartiere.
Der Reichsgewalt steht die Befugnis zu, Reichsfestungen
und Küstenverteidigungswerke anzulegen und, insoweit die
Sicherheit des Reiches es erfordert, vorhandene Festungen gegen billige
Ausgleichung, namentlich für das überlieferte Kriegsmaterial, zu
Reichsfestungen zu erklären.
Die Reichsfestungen und Küstenverteidigungswerke des Reiches
werden auf Reichskosten unterhalten.
Die Seemacht ist ausschließlich Sache des Reiches. Es
ist keinem Einzelstaate gestattet, Kriegsschiffe für sich zu halten oder
Kaperbriefe auszugeben.
Die Bemannung der Kriegsflotte bildet einen Teil der deutschen
Wehrmacht. Sie ist unabhängig von der Landmacht.
Die Mannschaft, welche aus einem einzelnen Staate für die Kriegsflotte
gestellt wird, ist von der Zahl der von demselben zu haltenden
Landtruppen abzurechnen. Das Nähere hierüber sowie über die
Kostenausgleichung zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten
bestimmt ein Reichsgesetz.
Die Ernennung der Offiziere und Beamten der Seemacht geht allein
vom Reiche aus.
Der Reichsgewalt liegt die Sorge für die Ausrüstung, Ausbildung und
Unterhaltung der Kriegsflotte und die Anlegung, Ausrüstung und
Unterhaltung von Kriegshäfen und See-Arsenalen ob.
Über die zur Erreichung von Kriegshäfen ünd Marine-Etablissements
nötigen Enteiguungen sowie über die Befugnisse der dabei anzustellenden
Reichsbehörden bestimmen die zu erlassenden Reichsgesetze.
Die Schiffahrtsanstalten am
Meere und in den Mündungen der deutschen Flüsse (Hafen, Seetonnen,
Leuchtschiffe, das Lotsenwesen, das Fahrwasser usw.) bleiben der
Fürsorge der einzelnen Uferstaaten überlassen. Die Uferstaaten
unterhalten dieselben aus eigenen Mitteln.
Ein Reichsgesetz wird bestimmen, wie weit die Mündungen der
einzelnen Flüsse zu rechnen sind.
Die Reichsgewalt hat die
Oberaufsicht über diese Anstalten und Einrichtungen.
Es steht ihr zu, die betreffenden Staaten zu gehöriger Unterhaltung
derselben anzuhalten, auch dieselben aus den Mitteln des Reiches zu
vermehren und zu erweitern.
Die Abgaben, welche in
den Seeuferstaaten von den Schiffen und deren Ladungen für die
Benutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die zur
Unterhaltung dieser Anstalten notwendigen Kosten nicht übersteigen.
Sie unterliegen der Genehmigung der Reichsgewalt.
In betreff dieser Abgaben sind alle
deutschen Schiffe und deren Ladungen gleichzustellen.
Eine höhere Belegung fremder Schiffahrt kann nur von der Reichsgewalt ausgehen.
Die Mehrabgabe von fremder Schiffahrt fließt in die Reichskasse.
Die Reichsgewalt hat das
Recht der Gesetzgebung und die Oberaufsicht über die in ihrem
schiffbaren Lauf mehrere Staaten durchströmenden oder begrenzenden
Flüsse und Seen und über die Mündungen der in dieselben fallenden
Nebenflüsse sowie über den Schiffahrtsbetrieb und die Flößerei auf
denselben.
Auf welche Weise die Schiffbarkeit dieser Flüsse erhalten oder
verbessert werden soll, bestimmt ein Reichsgesetz.
Die übrigen Wasserstraßen bleiben der Fürsorge der Einzelstaaten
überlassen. Doch steht es der Reichsgewalt zu, wenn sie es im Interesse
des allgemeinen Verkehrs für notwendig erachtet, allgemeine Bestimmungen
über den Schiffahrtsbetrieb und die Flößerei auf denselben zu
erlassen sowie einzelne Flüsse unter derselben Voraussetzung den oben
erwähnten gemeinsamen Flüssen gleichzustellen.
Die Reichsgewalt ist befugt, die Einzelstaaten zu gehöriger Erhaltung
der Schiffbarkeit dieser Wasserstraßen anzuhalten.
Alle deutschen Flüsse sollen für deutsche Schiffahrt
von Flußzöllen frei sein. Auch die Flößerei soll auf schiffbaren Flußstrecken
solchen Abgaben nicht unterliegen. Das Nähere bestimmt ein
Reichsgesetz.
Bei den mehreren Staaten durchströmenden oder begrenzenden Flüssen
tritt für die Aufhebung dieser Flußzölle eine billige Ausgleichung
ein.
Die Hafen-, Kran-, Waag-,
Lager-, Schleusen- und dergleichen Gebühren, welche an den gemeinschaftlichen
Flüssen und den Mündungen der in dieselben sich ergießenden
Nebenflüsse erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung derartiger
Anstalten nötigen Kosten nicht übersteigen. Sie unterliegen der
Genehmigung der Reichsgewalt.
Es darf in betreff dieser Gebühren keinerlei Begünstigung der Angehörigen
eines deutschen Staates vor denen anderer deutschen Staaten
stattfinden.
Flußzölle und Flußschiffahrtsabgaben dürfen auf fremde Schiffe und deren Ladungen nur
durch die Reichsgewalt gelegt werden.
Die Reichsgewalt hat über die Eisenbahnen und
deren Betrieb, soweit es der Schutz des Reiches oder das Interesse des
allgemeinen Verkehrs erheischt, die Oberaufsicht und das Recht der
Gesetzgebung. Ein Reichsgesetz wird bestimmen, welche Gegenstände
dahin zu rechnen sind.
Die Reichsgewalt hat das Recht, soweit sie es
zum Schutze des Reiches oder im Interesse des allgemeinen Verkehrs für
notwendig erachtet, die Anlage von Eisenbahnen zu bewilligen sowie
selbst Eisenbahnen anzulegen, wenn der Einzelstaat, in dessen Gebiet
die Anlage erfolgen soll, deren Ausführung ablehnt. Die Benutzung der
Eisenbahnen für Reichszwecke steht der Reichsgewalt jederzeit gegen
Entschädigung frei.
Bei der Anlage oder Bewilligung von
Eisenbahnen durch die einzelnen Staaten ist die Reichsgewalt befugt,
den Schutz des Reiches und das Interesse des allgemeinen Verkehrs
wahrzunehmen.
Die Reichsgewalt hat über die Landstraßen die
Oberaufsicht und das Recht der Gesetzgebung, soweit es der Schutz des
Reiches oder das Interesse des allgemeinen Verkehrs erheischt. Ein
Reichsgesetz wird bestirimen, welche Gegenstände dahin zu rechnen
sind.
Die Reichsgewalt hat das Recht, soweit
sie es zum Schutze des Reiches oder im Interesse des allgemeinen
Verkehrs für notwendig erachtet, zu verfügen, daß Landstraßen und
Kanäle angelegt, Flüsse schiffbar gemacht oder deren Schiffbarkeit
erweitert werde.
Die Anordnung der dazu erforderlichen baulichen Werke erfolgt nach
vorgängigem Benehmen mit den beteiligten Einzelstaaten durch die
Reichsgewalt.
Die Ausführung und Unterhaltung der neuen Anlagen geschieht von
Reichs wegen und auf Reichskosten, wenn eine Verständigung mit den
Einzelstaaten nicht erzielt wird.
Das Deutsche Reich soll
ein Zoll- und Handeisgebiet bilden, umgeben von gemeinschaftlicher
Zollgrenze, mit Wegfall aller Binnengrenzzölle.
Die Aussonderung einzelner Orte und Gebietsteile aus der Zollinie
bleibt der Reichsgewalt vorbehalten.
Der Reichsgewalt bleibt es ferner vorbehalten, auch nicht zum Reiche
gehörige Länder und Landesteile mittels besonderer Verträge dem
deutschen Zollgebiet anzuschließen.
Die Reichsgewalt
ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen sowie
über gemeinschaftliche Produktions- und Verbrauchssteuern. Welche
Produktions- und Verbrauchssteuern gemeinschaftlich sein sollen,
bestimmt die Reichsgesetzgebung.
Die Erhebung und Verwaltung der
Zölle sowie der gemeinschaftlichen Produktions- und Verbrauchssteuern
geschieht nach Anordnung und unter Oberaufsicht der Reichsgewalt.
Aus dem Ertrage wird ein bestimmter Teil nach Maßgabe des ordentlichen
Budgets für die Ausgaben des Reiches vorweggenommen, das
übrige wird an die einzelnen Staaten verteilt.
Ein besonderes Reichsgesetz wird hierüber das Nähere feststellen.
Auf welche
Gegenstände die einzelnen Staaten Produktions- oder Verbrauchssteuern
für Rechnung des Staates oder einzelner Gemeinden legen dürfen
und welche Bedingungen und Beschränkungen dabei eintreten sollen,
wird durch die Reichsgesetzgebung bestimmt.
Die einzelnen deutschen
Staaten sind nicht befugt, auf Güter, welche über die Reichsgrenze ein-
oder ausgehen, Zölle zu legen.
Die Reichsgewalt
hat das Recht der Gesetzgebung über den Handel und die Schiffahrt und
uberwacht die Ausführung der darüber erlassenen Reichsgesetze.
Der Reichsgewalt steht
es zu, über das Gewerbewesen Reichsgesetze zu erlassen und die
Ausführung derselben zu überwachen.
Erfindungspatente
werden ausschließlich von Reichs wegen auf Grundlage eines Reichsgesetzes
erteilt; auch steht der Reichsgewalt ausschließlich die Gesetzgebung gegen
den Nachdruck von Büchern, jedes unbefugte Nachahmen
von Kunstwerken, Fabrikzeichen, Mustern und Formen und gegen
andere Beeinträchtigungen des geistigen Eigentums zu.
Die Reichsgewalt hat das Recht der Gesetzgebung
und die Oberaufsicht über das Postwesen, namentlich über Organisation,
Tarife, Transit, Portotei!ung und die Verhältnisse zwischen den
einzelnen Postverwaltungen.
Dieselbe sorgt für gleichmäßige Anwendung der Gesetze durch
Vollzugsverordnungen und überwacht deren Durchführung in den
einzelnen Staaten durch fortlaufende Kontrolle.
Der Reichsgewalt steht es zu, die innerhalb mehrerer Postgebiete sich
bewegenden Kurse im Interesse des allgemeinen Verkehrs zu ordnen.
Postverträge mit
ausländischen Postverwaltungen dürfen nur von der Reichsgewalt oder
mit deren Genehmigung geschlossen werden.
Die Reichsgewalt hat
die Befugnis, insofern es ihr nötig scheint, das deutsche Postwesen für
Rechnung des Reiches in Gemäßheit eines Reichsgesetzes zu übernehmen,
vorbehaltlich billiger Entschädigung der Berechtigten.
Die Reichsgewalt ist befugt, Telegraphenlinien
anzulegen und die vorhandenen gegen Entschädigung zu benutzen
oder auf dem Wege der Enteignüng zu erwerben.
Weitere Bestimmungen hierüber sowie über Benutzung von Telegraphen
für den Privatverkehr sind einem Reichsgesetz vorbehalten.
Die Reichsgewalt ausschließlich hat die Gesetzgebung
und die Oberaufsicht über das Münzwesen. Es liegt ihr ob, für
ganz Deutschland dasselbe Münzsystem einzuführen.
Sie hat das Recht, Reichsmünzen zu prägen.
Der Reichsgewalt liegt es ob, in ganz
Deutschland dasselbe System für Maß und Gewicht sowie über den
Feingehalt der Gold- und Silberwaren zu begründen.
Die Reichsgewalt hat das Recht, das Bankwesen
und das Ausgeben von Papiergeld durch die Reichsgesetzgebung zu
regeln. Sie überwacht die Ausführung der darüber erlassenen Reichsgesetze.
Die Ausgaben für alle Maßregeln und
Einrichtungen, welche von Reichs wegen ausgeführt werden, sind von,
der Reichsgewalt aus den Mitteln des Reiches zu bestreiten.
Zur Bestreitung
seiner Ausgaben ist das Reich zunächst auf seinen Anteil an den
Einkünften aus den Zöllen und den gemeinsamen Produktions- und
Verbrauchssteuern angewiesen.
Die Reichsgewalt hat das Recht, insoweit
die sonstigen Einkünfte nicht ausreichen, Matrikularbeiträge aufzunehmen.
Die Reichsgewalt ist befugt, in außerordentlichen Fällen Reichssteuern
aufzulegen und zu erheben oder
erheben zu lassen sowie Anleihen zu machen oder sonstige Schulden zu
kontrahieren.
Den Umfang der Gerichtsbarkeit
des Reiches bestimmt der Abschnitt vom Reichsgericht.
Der Reichsgewalt
liegt es ob, die kraft der Reichsverfassung allen Deutschen verbürgten
Rechte oberaufsehend zu wahren.
Der Reichsverwaltung
liegt die Wahrung des Reichsfriedens ob. Sie hat die für die Aufrechterhaltung
der inneren Sicherheit und Ordnung erforderlichen Maßregeln
zu treffen:
Die Maßregeln, welche von der
Reichsgewalt zur Wahrung des Reichsfriedens ergriffen werden können,
sind: 1. Erlasse, 2. Absendung von Kommissarien, 3. Anwendung von
bewaffneter Macht.
Ein Reichsgesetz wird die Grundsätze bestimmen, nach welchen die
durch solche Maßregeln veranlaßten Kosten zu tragen sind.
Der Reichsgewalt liegt es ob, die Fälle und Formen, in welchen die
bewaffnete Macht gegen Störungen der öffentlichen Ordnung angewendet
werden soll, durch ein Reichsgesetz zu bestimmen.
Der Reichsgewalt liegt es ob,
die gesetzlichen Normen über Erwerb und Verlust des Reichs- und
Staatsbürgerrechts festzusetzen.
Der Reichsgewalt steht es zu, über das Heimatrecht
Reichsgesetze zu erlassen und die Ausführung derselben zu
überwachen.
Der Reichsgewalt steht es zu, unbeschadet
des durch die Grundrechte gewährleisteten Rechts der freien Vereinigung
und Versammlung, Reichsgesetze über das Assoziationswesen zu
erlassen.
Die Reichsgesetzgebung hat für die
Aufnahme öffentlicher Urkunden diejenigen Erfordernisse festzustellen,
welche die Anerkennung ihrer Echtheit in ganz Deutschland
bedingen.
Die Reichsgewalt ist befugt,
im Interesse des Gesamtwohls allgemeine Maßregeln für die Gesundheitspflege
zu treffen.
Die Reichsgewalt hat die Gesetzgebung,
soweit es zur Ausführung der ihr verfassungsmäßig übertragenen
Befugnisse und zum Schutze der ihr überlassenen Anstalten erforderlich
ist.
Die Reichsgewalt ist befugt,
wenn sie im Gesamtinteresse Deutschlatids gemeinsame Einrichtungen
und Maßregeln notwendig findet, die zur Begründung derselben erforderlichen
Gesetze in den für die Veränderung der Verfassung vorgeschriebenen
Formen zu erlassen.
Der Reichsgewalt liegt es ob,
durch die Erlassung allgemeiner Gesetzbücher über bürgerliches Recht,
Handels- und Wechselrecht, Strafrecht und gerichtliches Verfahren die
Rechtseinheit im deutschen Volke zu begründen.
Alle Gesetze und Verordnungen
der Reichsgewait erhalten verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung von Reichs wegen.
Reichsgesetze gehen den
Gesetzen der Einzelstaaten vor, insofern ihnen nicht ausdrücklich eine
nur subsidiäre Geltung beigelegt ist.
Die Anstellung der Reichsbeamten geht vom Reiche aus. Die Dienstpragmatik des Reiches wird ein
Reichsgesetz feststellen.
Die Würde des Reichsoberhauptes wird
einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen.
Diese Würde ist erblich im Hause des
Fürsten, dem sie übertragen worden. Sie vererbt im Mannesstamme nach
dem Recht der Erstgeburt.
Das Reichsoberhaupt führt den Titel:
Kaiser der Deutschen.
Die Residenz des Kaisers ist am Sitze der Reichsregierung.
Wenigstens während der Dauer des Reichstages wird der Kaiser dort
bleibend residieren.
Sooft sich der Kaiser nicht am Sitze der Reichsregierung befindet,
muß einer der Reichsminister in seiner unmittelbaren Umgebung sein.
Die Bestimmungen über den Sitz der Reichsregierung bleiben einem
Reichsgesetz vorbehalten.
Der Kaiser bezieht eine Zivilliste, welche der Reichstag
festsetzt.
Die Person des
Kaisers ist unverletzlich.
Der Kaiser übt die ihm übertragene Gewalt durch verantwortliche,
von ihm ernannte Minister aus.
Alle Regierungshandlungen des Kaisers
bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung von wenigstens einem
der Reichsminister, welcher dadurch die Verantwortung übernimmt.
Der
Kaiser übt die völkerrechtliche Vertretung des Deutschen Reiches und
der einzelnen deutschen Staaten aus. Er stellt die Reichsgesandten und
die Konsuln an und führt den diplomatischen Verkehr.
Der Kaiser erklärt Krieg und
schließt Frieden.
Der Kaiser schließt die Bündnisse und Verträge mit
den auswärtigen Mächten ab, und zwar unter Mitwirkung des Reichstages,
insoweit diese in der Verfassung vorbehalten ist.
Alle Verträge nicht rein privatrechtlichen
Inhalts, welche deutsche Regierungen unter sich oder mit auswärtigen
Regierungen abschließen, sind dem Kaiser zur Kenntnisnahme und,
insofern das Reichsinteresse dabei beteiligt ist, zur Bestätigung vorzulegen.
Der Kaiser beruft und schließt
den Reichstag; er hat das Recht, das Volkshaus aufzulosen.
Der Kaiser hat das Recht des
Gesetzesvorschlages. Er übt die gesetzgebende Gewalt in Gemeinschaft
mit dem Reichstage unter den verfassungsmäßigen Beschränkungen aus.
Er verkündigt die Reichsgesetze und erläßt die zur Vollziehung derselben
nötigen Verordnungen.
In Strafsachen, welche zur Zuständigkeit des
Reichsgerichts gehören, hat der Kaiser das Recht der Begnadigung und
Strafmilderung. Das Verbot der Einleitung oder Fortsetzung von Untersuchungen
kann der Kaiser nur mit Zustimmung des Reichstages
erlassen.
Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Reichsministers
kann der Kaiser das Recht der Begnadigung und Strafmilderung
nur dann ausüben, wenn dasjenige Haus, von welchem die Anklage
ausgegangen ist, darauf anträgt. Zu Gunsten von Landesministern steht
ihm ein solches Recht nicht zu.
Dem Kaiser liegt die Wahrung des
Reichsfriedens ob.
Der Kaiser hat die Verfügung über die bewaffnete
Macht.
Überhaupt hat der Kaiser die
Regierungsgewalt in allen Angelegenheiten des Reiches nach Maßgabe
der Reichsverfassung. Ihm als Träger dieser Gewalt stehen diejenigen
Rechte und Befugnisse zu, welche in der Reichsverfassung der Reichsgewalt
beigelegt und dem Reichstage nicht zugewiesen sind.
Der Reichstag besteht aus zwei Häusern, dem
Staatenhaus und dem Volkshaus.
Das Staatenhaus wird gebildet aus den Vertretern
der deutschen Staaten.
Die Zahl der Mitglieder verteilt sich nach
folgendem Verhältnis:
Solange die deutsch-österreichischen Lande an dem Bundesstaate nicht
teilnehmen, erhalten nachfolgende Staaten eine größere Anzahl von
Stimmen im Staatenhause; nämlich:
Die Mitglieder des Staatenhauses
werden zur Hälfte durch die Regierung und zur Hälfte durch die
Volksvertretutig der betreffenden Staaten ernannt.
In denjenigen deutschen Staaten, welche aus mehreren Provinzen oder
Ländern mit abgesonderter Verfassung oder Verwaltung bestehen, sind
die durch die Volksvertretung dieses Staates zu ernennenden Mitglieder
des Staatenhauses nicht von der allgemeinen Landesvertretung, sondern
von den Vertretungen der einzelnen Länder oder Provinzen (Provinzialständen)
zu ernennen.
Das Verhältnis, nach welchem die Zahl der diesen Staaten zukommenden
Mitglieder unter die einzelnen Länder oder Provinzen zu verteilen
ist, bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten.
Wo zwei Kammern bestehen un'd eine Vertretung nach Provinzen
nicht statifindet, wählen beide Kammern in gemeinsamer Sitzung nach
absoluter Stimmenmehrheit.
In denjenigen Staaten, welche nur ein
Mitglied in das Staatenhaus senden, schlägt die Regierung drei Kandidaten
vor, aus denen die Volksvertretung mit absoluter Stimmenmehrheit
wählt.
Auf dieselbe Weise ist in denjenigen Staaten, welche eine ungerade
Zahl, von Mitgliedern senden, in betreff des letzten derselben zu
verfahren.
Wenn mehrere deutsche
Staaten zu einem Ganzen verbunden werden, so entscheidet ein Reichsgesetz
über die dadurch etwa notwendig werdende Abänderung in der
Zusammensetzung des Staatenhauses.
Mitglied des Staatenhauses
kann nur sein, wer
Die Mitglieder des Staatenhauses werden auf sechs
Jahre gewählt. Sie werden alle drei Jahre zur Hälfte erneuert.
Auf welche Weise nach den ersten drei Jahren das Ausscheiden der
einen Hälfte stattfinden soll, wird durch ein Reichsgesetz bestimmt. Die
Ausscheidenden sind stets wieder wählbar.
Wird nach Ablauf dieser drei Jahre und vor Vollendung der neuen
Wahlen für das Staatenhaus ein außerordentlicher Reichstag berufen, so
treten, soweit die neuen Wahlen noch nicht stattgefunden haben, die
früheren Mitglieder ein.
Das Volkshaus besteht aus den
Abgeordneten des deutschen Volkes.
Die Mitglieder des Volkshauses werden für das
erste Mal auf vier Jahre, demnächst immer auf drei Jahre gewählt.
Die Wahl geschieht nach den in dem Reichswahlgesetze enthaltenen
Vorschriften.
Die Mitglieder des Reichstages beziehen aus der
Reichskasse ein gleichmäßiges Tagegeld und Entschädigung für ihre
Reisekosten. Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz.
Die Mitglieder beider Häuser können durch
Instruktionen nicht gebunden werden.
Niemand kann gleichzeitig
Mitglied von beiden Häusern sein.
Zu einem Beschluß eines
jeden Hauses des Reichstages ist die Teilnahme von wenigstens der
Hälfte der gesetzlichen Anzahl seiner Mitglieder und die einfache
Stimmenmehrheit erforderlich. Im Falle der Stimmengleichheit wird ein
Antrag als abgelehnt betrachtet.
Das Recht des Gesetzesvorschlages,
der Beschwerde, der Adresse und der Erhebung von Tatsachen
sowie der Anklage der Minister steht jedem Hause zu.
Ein Reichstagsbeschluß
kann nur durch die Übereinstimmung beider Häuser gültig zustande
kommen.
Ein Reichstagsbeschluß,
welcher die Zustimmung der Reichsregierung nicht erlangt
hat, darf in derselben Sitzungsperiode nicht wiederholt werden.
Ist von dem Reichstage in drei sich unmittelbar folgenden ordentlichen
Sitzungsperioden derselbe Beschluß unverändert gefaßt worden,
so wird derselbe, auch wenn die Zustimmung der Reichsregierung nicht
erfolgt, mit dem Schlusse des dritten Reichstages zum Gesetz. Eine
ordentliche Sitzungsperiode, welche nicht wenigstens vier Wochen
dauert, wird in dieser Reihenfolge nicht mitgezählt.
Ein Reichstagsbeschluß ist
in folgenden Fällen erforderlich:
Bei Feststellung des Reichshaushaltes treten folgende
Bestimmungen ein:
Der Reichstag versammelt sich jedes Jahr am Sitze
der Reichsregierung. Die Zeit der Zusammenkunft wird vom Reichsoberhaupt
bei der Einberufung angegeben, insofern nicht ein Reichsgesetz
dieselbe festsetzt.
Außerdem kann der Reichstag zu außerordentlichen Sitzungen jederzeit
vom Reichsoberhaupt einberufen werden.
Die ordentlichen Sitzungsperioden
der Landtage in den Einzelstaaten sollen mit denen des
Reichstages in der Regel nicht zusammenfallen. Das Nähere bleibt
einem Reichsgesetz vorbehalten.
Das Volkshaus kann durch das
Reichsoberhaupt aufgelöst werden.
In dem Falle der Auflösung ist der Reichstag binnen drei Monaten
wieder zu versammeln.
Die Auflösung des Volkshauses
hat die gleichzeitige Vertagung des Staatenhauses bis zur Wiederberufung
des Reichstages zur Folge.
Die Sitzungsperioden beider Häuser sind dieselben.
Das Ende der Sitzungsperiode des
Reichstages wird vom Reichsoberhaupt bestimmt.
Eine Vertagung des Reichstages oder eines der
beiden Häuser durch das Reichsoberhaupt bedarf, wenn sie nach
Eröffnung der Sitzung auf länger als vierzehn Tage ausgesprochen
werden soll, der Zustimmung des Reichstages oder des betreffenden
Hauses.
Auch der Reichstag selbst, sowie jedes der beiden Häuser, kann sich
auf vierzehn Tage vertagen.
Jedes der beide Häuser wählt seinen Präsidenten,
seine Vizepräsidenten und seine Schriftführer.
Die Sitzungen beider Häuser sind öffentlich.
Die Geschäftsordnung eines jeden Hauses bestimmt, unter welchen
Bedingungen vertrauliche Sitzungen stattfinden können.
Jedes Haus prüft die Vollmachten
seiner Mitglieder und entscheidet über die Zulassung derselben.
Abschnitt II
Die ReichsgewaltArtikel I
Artikel II
Artikel III
Artikel IV
Artikel V
Artikel VI
Artikel VII
Artikel VIII
Artikel IX
Artikel X
Artikel XI
Artikel XII
Artikel XIII
§ 62
Artikel XIV
§ 67
Abschnitt III
Das ReichsoberhauptArtikel I
§ 68
Artikel II
§ 73
Artikel III
§ 75
Abschnitt IV
Der ReichstagArtikel I
§ 85
Artikel II
§ 86
Preußen 40 Mitglieder Österreich 38 Mitglieder Bayern 18 Mitglieder Sachsen 10 Mitglieder Hannover 10 Mitglieder Württemberg 10 Mitglieder Baden 9 Mitglieder Kurhessen 6 Mitglieder Großherzogtum Hessen 6 Mitglieder Holstein(-Schleswig, s. § 1) 6 Mitglieder Mecklenburg-Schwerin 4 Mitglieder Luxemburg-Limburg 3 Mitglieder Nassau 3 Mitglieder Braunschweig 2 Mitglieder Oldenburg 2 Mitglieder Sachsen-Weimar 2 Mitglieder Sachsen-Coburg-Gotha 1 Mitglied Sachsen-Meiningen-Hildburghausen 1 Mitglied Sachsen-Altenburg 1 Mitglied Mecklenburg-Strelitz 1 Mitglied Anhalt-Dessau 1 Mitglied Anhalt-Bernburg 1 Mitglied Anhalt-Köthen 1 Mitglied Schwarzburg-Sondershausen 1 Mitglied Schwarzburg-Rudolstadt 1 Mitglied Hohenzollern-Hechingen 1 Mitglied Liechtenstein 1 Mitglied Hohenzollern-Sigmaringen 1 Mitglied Waldeck 1 Mitglied Reuß ältere Linie 1 Mitglied Reuß jüngere Linie 1 Mitglied Schaumburg-Lippe 1 Mitglied Lippe-Detmold 1 Mitglied Hessen-Homburg 1 Mitglied Lauenburg 1 Mitglied Lübeck 1 Mitglied Frankfurt 1 Mitglied Bremen 1 Mitglied Hamburg 1 Mitglied ------------ 192 Mitglieder Bayern 20 Stimmen Sachsen 12 Stimmen Hannover 12 Stimmen Württemberg 12 Stimmen Baden 10 Stimmen Großherzogtum Hessen 8 Stimmen Kurhessen 7 Stimmen Nassau 4 Stimmen Hamburg 2 Stimmen
Artikel III
§ 93
Artikel IV
§ 95
Artikel V
§ 98
Artikel VI
§ 104
Artikel VII
§ 110