Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen
Bundes, Seine Majestät der König von Bayern, Seine Majestät der König
von Württemberg; Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden
und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein
für die südlich vom Main belegenen Teile des Großherzogtums Hessen
schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des
innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt
des Deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich
führen und wird nachstehende Verfassung haben.
I
Bundesgebiet
Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen mit Lauenburg, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg.
Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das
Reich das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser
Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den
Landesgesetzen vorgehen. Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche
Kraft durch ihre Verkündigung von Reichs wegen, welche vermittelst
eines Reichsgesetzblattes geschieht. Sofern nicht in dem publizierten
Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt
ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf
desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Reichsgesetzblattes
in Berlin ausgegeben worden ist.
Für ganz Deutschland besteht ein
gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Untertan,
Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate
als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz,
zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Ämtern, zur Erwerbung von
Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum
Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen
wie der Einheimische zuzulassen, auch in betreff der Rechtsverfolgung
und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist.
Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis durch die
Obrigkeit seiner Heimat oder durch die Obrigkeit eines anderen
Bundesstaates beschränkt werden.
Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die
Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch
den im ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.
Ebenso bleiben bis auf weiteres die Verträge in Kraft, welche zwischen
den einzelnen Bundesstaaten in Beziehung auf die Übernahme von
Auszuweisenden, die Verpflegung erkrankter und die Beerdigung verstorbener
Staatsangehöriger bestehen.
Hinsichtlich der Erfüllung der Militärpflicht im Verhältnis zu dem
Heimatslande wird im Wege der Reichsgesetzgebung das Nötige geordnet werden.
Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig
Anspruch auf den Schutz des Reichs.
Der Beaufsichtigung seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben unterliegen die
nachstehenden Angelegenheiten:
Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrat und den Reichstag. Die
Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist
zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend.
Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegsmarine
und die im Artikel 35 bezeichneten Abgaben gibt, wenn im Bundesrate eine
Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den
Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden
Einrichtungen ausspricht.
Der Bundesrat besteht aus den
Vertretern der Mitglieder des Bundes, unter welchen die Stimmführung
sich in der Weise verteilt, daß Preußen mit den ehemaligen Stimmen von
Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Bevollmächtigte zum Bundesrate
ernennen, wie es Stimmen hat, doch kann die Gesamtheit der zuständigen
Stimmen nur einheitlich abgegeben werden.
Der Bundesrat beschließt:
Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu
bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Beratung zu
übergeben.
Die Beschlußfassung erfolgt, vorbehaltlich der Bestimmungen in den
Artikel 5, 37 und 78, mit einfacher Mehrheit. Nicht vertretene oder nicht
instruierte Stimmen werden nicht gezählt. Bei Stimmengleichheit gibt
die Präsidialstimme den Ausschlag.
Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche nach den
Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich
ist, werden die Stimmen nur diejenigen Bundesstaaten gezählt,
welchen die Angelegenheit gemeinschaftlich ist.
Der Bundesrat bildet aus seiner Mitte dauernde
Ausschüsse
In jedem dieser Ausschüse werden außer dem Präsidium mindestens
vier Bundesstaaten vertreten sein, und führt innerhalb derselben jeder
Staat nur eine Stimme. In dem Ausschuß für das Landheer und die
Festungen hat Bayern einen ständigen Sitz, die übrigen Mitglieder
desselben sowie die Mitglieder des Ausschusses für das Seewesen
werden vom Kaiser ernannt; die Mitglieder der anderen Ausschüsse
werden von dem Bundesrate gewählt. Die Zusammensetzung dieser
Ausschüsse ist für jede Session des Bundesrates resp. mit jedem Jahre zu
erneuern, wobei die ausscheidenden Mitglieder wieder wählbar sind.
Außerdem wird vom Bundesrate aus den Bevollmächtigten der
Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg und zwei vom Bundesrate
alljährlich zu wählenden Bevollmächtigten anderer Bundesstaaten
ein Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten gebildet, in welchem
Bayern den Vorsitz führt.
Den Ausschüssen werden die zu ihren Arbeiten nötigen Beamten zur
Verfügung gestellt.
Jedes Mitglied des
Bundesrates hat das Recht, im Reichstage zu erscheinen und muß
daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner
Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität
des Bundesrates nicht adoptiert worden sind. Niemand kann gleichzeitig
Mitglied des Bundesrates und des Reichstages sein.
Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrates den üblichen
diplomatischen Schutz zu gewähren.
Das Präsidium des
Bundes steht dem Könige von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher
Kaiser führt. Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten,
im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen,
Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen,
Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen.
Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustimmung
des Bundesrats erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff auf das
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.
Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände
beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung
gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrates
und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich.
Dem Kaiser steht
es zu, den Bundesrat und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu
vertagen und zu schließen.
Die Berufung des Bundesrates und
des Reichstages findet alljährlich statt, und der Bundesrat kann zur
Vorbereitung der Arbeiten ohne den Reichstag, letzterer aber nicht ohne
den Bundesrat berufen werden.
Die Berufung des Bundesrates muß erfolgen, sobald sie von einem
Drittel der Stimmenzahl verlangt wird.
Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung
der Geschäfte stehen dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu
ernennen ist.
Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrates
vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.
Die erforderlichen Vorlagen
werden nach Maßgabe der Beschlüsse des Bundesrates im Namen des
Kaisers an den Reichstag gebracht, wo sie durch Mitglieder des Bundesrates
oder durch besondere von letzterem zu ernennende Kommissarien
vertreten werden.
Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung der
Reichsgesetze und die Überwachung der Ausführung derselben zu. Die
Anordnungen und Verfügungen des Kaisers werden im Namen des
Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung
des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.
Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben für das Reich vereidigen
und verfügt erforderlichen Falles deren Entlassung.
Den zu einem Reichsamte berufenen Beamten eines Bundesstaates
stehen, sofern nicht vor ihrem Eintritt in den Reichsdienst im Wege der
Reichsgesetzgebung etwas anderes bestimmt ist, dem Reiche gegenüber
diejenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimatslande aus ihrer
dienstlichen Stellung zugestanden hatten.
Wenn Bundesglieder ihre
verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht erfüllen, können sie dazu im
Wege der Exekution angehalten werden. Diese Exekution ist vom
Bundesrate zu beschließen und vom Kaiser zu vollstrecken.
Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten
Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor.
Bis zu der gesetzlichen Regelung, welche im § 5 des Wahlgesetzes vom
31. Mai 1869 (Bundesgesetzbl. 1869 S.145) vorbehalten ist, werden in
Bayern 48, in Württemberg 17, in Baden 14, in Hessen südlich des Mains
6 Abgeordnete gewählt, und beträgt demnach die Gesamtzahl der
Abgeordneten 382.
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den
Reichstag.
Wenn ein Mitglied des Reichstages ein besoldetes Reichsamt oder in
einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Reichs-
oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang
oder ein höheres Gehalt verbunden ist so verliert es Sitz und Stimme in
dem Reichstag und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl
wieder erlangen.
Die Verhandlungen des
Reichstages sind öffentlich.
Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen
Sitzungen des Reichstages bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
Der Reichstag hat das
Recht, innerhalb der Kompetenz des Reichs Gesetze vorzuschlagen und
an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrate resp. Reichskanzler zu
überweisen.
Die Legislaturperiode des
Reichstages dauert fünf Jahre. Zur Auflösung des Reichstags während
derselben ist ein Beschluß des Bundesrates unter Zustimmung des
Kaisers erforderlich.
Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen
innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und
innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der
Reichstag versammelt werden.
Ohne Zustimmung des Reichstages darf die
Vertagung desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und
während derselben Session nicht wiederholt werden.
Der Reichstag prüft die
Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen
Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und
erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer.
Der Reichstag beschließt mit absoluter
Stimmenmehrheit. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit
der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich.
Die Mitglieder des
Reichstages sind Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge und
Instruktionen nicht gebunden.
Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgendeiner Zeit wegen
seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines
Berufes getanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt
oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen
werden.
Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein
Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe
bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden,
außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden
Tages ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden
erforderlich.
Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein
Mitglied desselben und jede Untersuchungs und Zivilhaft für die Dauer
der Sitzungsperiode aufgehoben.
Die Mitglieder des Reichstages
dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen.
Deutschland bildet ein Zoll- und
Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen
bleiben die wegen ihrer Lage zur Einschließung in die
Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietsteile.
Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates
befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und
dürfen in letzterem einer Absage nur insoweit unterworfen werden, als
daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer unterliegen.
Die Hansestädte Bremen und Hamburg
mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden
Gebietes bleiben als Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen
Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen.
Das Reich
ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen, über
die Besteuerung des im Bundesgebiet gewonnenen Salzes und Tabaks,
bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder anderen inländischen
Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Sirups, über den gegenseitigen
Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchsabgaben
gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in
den Zollausschüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind.
In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung des
inländischen Branntweins und Bieres der Landesgesetzgebung vorbehalten.
Die Bundesstaaten werden jedoch ihr Bestreben daraufrichten, eine
Übereinstimmung der Gesetzgebung über die Besteuerung auch dieser
Gegenstände herbeizuführen.
Die
Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern (Artikel 35)
bleibt jedem Bundesstaate, soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat,
innerhalb seines Gebietes überlassen.
Der Kaiser überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens
durch Reichsbeamte, welche er den Zoll- oder Steuerämtern und den
Direktivbehörden der einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Ausschusses
des Bundesrates für Zoll- und Steuerwesen, beiordnet.
Die von diesen Beamten über Mängel bei der Ausführung der
gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Artikel 35) gemachten Anzeigen werden
dem Bundesrate zur Beschlußnahme vorgelegt.
Bei der
Beschlußnahme über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen
Gesetzgebung (Artikel 35) dienenden Verwaltungsvorschnften und Einrichtungen
gibt die Stimme des Präsidiums alsdann den Ausschlag, wenn
sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung ausspricht.
Der Ertrag der Zölle und der anderen in Artikel 35
bezeichneten Abgaben, letzterer soweit sie der Reichsgesetzgebung
unterliegen, fließt in die Reichskasse.
Dieser Ertrag besteht aus der gesamten von den Zöllen und den
übrigen Abgaben aufgekommenen Einnahme nach Abzug:
Die außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete
tragen zu den Ausgaben des Reichs durch Zahlung eines Aversums bei.
Bayern, Württemberg und Baden haben an dem in die Reichskasse
fließenden Ertrage der Steuern von Branntwein und Bier und an dem
diesem Ertrage entsprechenden Teile des vorstehend erwähnten Aversums
keinen Teil.
Die von den Erhebungsbehörden der Bundesstaaten nach Ablauf eines jeden Vierteljahres
aufzustellenden Quartal-Extrakte und die nach dem Jahres- und
Bücherschlusse aufzustellenden Finalabschlüsse über die im Laufe des
Vierteljahres beziehungsweise während des Rechnungsjahres fällig
gewordenen Einnahmen an Zöllen und nach Artikel 38 zur Reichskasse
fließenden Verbrauchsabgaben werden von den Direktivbehörden der
Bundesstaaten, nach vorangegangener Prüfung, in Hauptübersichten
zusammengestellt, in welchem jede Abgabe gesondert nachzuweisen ist,
und es werden diese Übersichten an den Ausschluß des Bundesrates für
das Rechnungswesen eingesandt.
Der letztere stellt auf Grund dieser Übersichten von drei zu drei
Monaten den von der Kasse jedes Bundesstasates der Reichskasse
schuldigen Betrag vorläufig fest und setzt von dieser Feststellung den
Bundesrat und die Bundesstaaten in Kenntnis, legt auch alljährlich die
schließliche Feststellung jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem
Bundesrate vor. Der Bundesrat beschließt über diese Feststellung.
Die Bestimmungen in
dem Zollvereinigungsvertrage vom, 8. Juli 1867 bleiben in Kraft, soweit
sie nicht durch die Vorschriften dieser Verfassung abgeändert sind und
solange sie nicht auf dem im Artikel 7 beziehungsweise 78 bezeichneten
Wege abgeändert werden.
Eisenbahnen, welche im Interesse der Verteidigung Deutschlands
oder im Interesse des gemeinsamen
Verkehrs für notwendig erachtet werden, können kraft eines Reichsgesetzes
auch gegen den Widerspruch der Bundesglieder, deren Gebiet für
Eisenbaunen durchschneiden, unbeschadet der Landeshoheitsrechte,
für Rechnung des Reichs angelegt oder an Privatunternehmer zur
Ausführung konzessioniert und mit dem Expropriationsrechte ausgestattet werden.
Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, sich den
Anschluß neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen
zu lassen.
Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn-
Unternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel-
oder Konkurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet bereits
erworbener Rechte, für das ganze Reich hierdurch aufgehoben. Ein
solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu erteilenden
Konzessionen nicht weiter verliehen werden.
Die Bundesregierungen verpflichten
sich, die Deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs
wie ein einheitliches Netz verwalten und zu diesem Behuf auch die neu
herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten
zu lassen.
Es sollen demgemäß in tunlichster Beschleunigung übereinstimmende
Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizei-Reglements
eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die
Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nötige Sicherheit
gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit
Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrsbedürfnis es erheischt.
Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet,
die für den durchgehenden Verkehr und zur
Herstellung ineinander greifender Fahrpläne nötigen Personenzüge mit
entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung
des Güterverkehrs nötigen Güterzüge einzuführen, auch direkte Expeditionen
im Personen- und Güterverkehr, unter Gestattung des Übergangs der
Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die
übliche Vergütung einzurichten.
Dem Reiche steht die Kontrolle über das Tarifwesen
zu. Dasselbe wird namentlich dahin wirken:
Bei eintretenden Notständen,
insbesondere bei ungewöhrtlicher Teuerung der Lebensmittel, sind die
Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, für den Transport, namentlich von
Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln, zeitweise einen dem
Bedürfnis entsprechenden, von dem Kaiser auf Vorschlag des betreffenden
Bundesrats-Ausschusses festzustellenden, niedrigen Spezialtarif
einzuführen, welcher jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden
Bahn für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen darf.
Die vorstehenden sowie die in den Artikel 42 bis 45 getroffenen Bestimmungen
sind auf Bayern nicht anwendbar.
Dem Reiche steht jedoch auch Bayern gegenüber das Recht zu, im
Wege der Gesetzgebung einheitliche Normen für die Konstruktion und
Ausrüstung der für die Landesverteidigung wichtigen Eisenbahnen
aufrustellen.
Den Anforderungen
der Behörden des Reichs in Betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum
Zweck der Verteidigung Deutschlands haben sämtliche Eisenbahnverwaltungen
unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist das Militär
und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern.
Das Postwesen und
das Telegraphenwesen werden für das gesamte Gebiet des Deutschen
Reichs als einheitliche Staatsverkehrsanstalten eingerichtet und verwaltet.
Die im Artikel 4 vorgesehene Gesetzgebung des Reichs in Post- und
Telegraphenangelegenheiten erstreckt sich nicht auf diejenigen Gegenstände,
deren Regelung nach den in der Norddeutschen Post- und
Telegraphenverwaltung maßgebend gewesenen Grundsätzen der reglementarischen
Festsetzung oder administrativen Anordnung überlassen
ist.
Die Einnahmen des Post- und
Telegraphenwesens sind für das ganze Reich gemeinschaftlich. Die
Ausgaben werden aus den gemeinschaftlichen Einnahmen bestritten.
Die Überschüsse fließen in die Reichskasse (Abschnitt XII).
Dem Kaiser gehört die obere Leitung der Post- und Telegraphenverwaltung an.
Die von ihm bestellten Behörden haben die Pflicht und das Recht, dafür
zu sorgen, daß Einheit in der Organisation der Verwaltung und im
Betriebe des Dienstes sowie in der Qualifikation der Beamten hergestellt
und erhalten wird.
Dem Kaiser steht der Erlaß der reglementarischen Festsetzungen und
allgemeinen administrativen Anordnungen sowie die ausschließliche
Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen Post- und Telegraphenverwaltungen zu.
Sämtliche Beamte der Post- und Telegraphenverwaltung sind verpflichtet,
den Kaiserlichen Anordnungen Folge zu leisten. Diese Verpflichtung
ist in den Diensteid aufzunehmen.
Die Anstellung der bei den Verwaltungsbehörden der Post- und
Telegraphie in den verschiedenen Bezirken erforderlichen oberen Beamten
(z. B. der Direktoren, Räte, Oberinspektoren), ferner die Anstellung
der zur Wahrnehmung des Aufsichts- usw. Dienstes in den einzelnen
Bezirken als Organe der erwähnten Behörden fungierenden Post- und
Telegraphenbeamten (z. B. Inspektoren, Kontrolleure) geht für das
ganze Gebiet des Deutschen Reichs vom Kaiser aus, welchem diese
Beamten den Diensteid leisten. Den einzelnen Landesregierungen wird
von den in Rede stehenden Ernennungen, sowie dieselben ihre Gebiete
betreffen, behufs der landesherrlichen Bestätigung und Publikation
rechtzeitig Mitteilung gemacht werden.
Die anderen bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie
erforderlichen Beamten sowie alle für den lokalen und technischen
Betrieb bestimmten, mithin bei den eigentlichen Betriebsstellen fungierenden
Beamten usw. werden von den betreffenden Landesregierungen
angestellt.
Wo eine selbständige Landespost- resp. Telegraphenverwaltung nicht
besteht, entscheiden die Bestimmungen der besonderen Verträge.
Bei Überweisung des
Überschusses der Postverwaltung für allgemeine Reichszwecke (Artikel 49)
soll, in Betracht der bisherigen Verschiedenheit der von den Landes-
Postverwaltungen der einzelnen Gebiete erzielten Reineinnahmen, zum
Zwecke einer entsprechenden Ausgleichung während der unten festgesetzten
Übergangszeit folgendes Verfahren beobachtet werden.
Aus den Postüberschüssen, welche in den einzelnen Postbezirken
während der fünf Jahre 1861 bis 1865 aufgekommen sind, wird ein
durchschnittlicher Jahresüberschuß berechnet, und der Anteil, welchen
jeder einzelne Postbezirk an dem für das gesamte Gebiet des Reichs sich
danach herausstellenden Postüberschusse gehabt hat, nach Prozenten
festgestellt.
Nach Maßgabe des auf diese Weise festgestellten Verhältnisses werden
den einzelnen Staaten während der auf ihren Eintritt in die Reichspostverwaltung
folgenden acht Jahre die sich für sie aus den im Reiche
aufkommenden Postüberschüssen ergebenden Quoten auf ihre sonstigen
Beiträge zu Reichszwecken zugute gerechnet.
Nach Ablauf der acht Jahre hört jene Unterscheidung auf, und fließen
die Postüberschüsse in ungeteilter Aufrechnung nach dem im Artikel 49
enthaltenen Grundsatz der Reichskasse zu.
Von der während der vorgedachten acht Jahre für die Hansestädte sich
herausstellenden Quote des Postüberschusses wird alljährlich vorweg
die Hälfte dem Kaiser zur Disposition gestellt zu dem Zwecke, daraus
zunächst die Kosten für die Herstellung normaler Posteinrichtungen in
den Hansestädten zu bestreiten.
Die Bestimmungen in den vorstehenden
Artikel 48 bis 51 finden auf Bayern und Württemberg keine Anwendung.
An ihrer Stelle gelten für beide Bundesstaaten folgende Bestimmungen.
Dem Reiche ausschließlich steht die Gesetzgebung über die Vorrechte
der Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider
Anstalten zum Publikum, über die Portofreiheiten und das Posttaxwesen,
jedoch ausschließlich der reglementarischen und Tarifbestimmungen
für den internen Verkehr innerhalb Bayerns, beziehungsweise Württembergs,
sowie, unter gleicher Beschränkung, die Feststellung der Gebühren
für die telegraphische Korrespondenz zu.
Ebenso steht dem Reiche die Regelung des Post- und Telegraphenverkehrs
mit dem Auslande zu, ausgenommen den eigenen unmittelbaren
Verkehr Bayerns, beziehungsweise Württembergs mit seinen dem Reiche
nicht angehörenden Nachbarstaaten, wegen dessen Regelung es bei der
Bestimmung im Artikel 49 des Postvertrages vom 23. November 1867
bewendet.
An den zur Reichskasse fließenden Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens
haben Bayern und Württemberg keinen Teil.
Die Kriegsmarine des Reichs ist eine einheitliche
unter dem Oberbefehl des Kaisers. Die Organisation und Zusammensetzung
derselben liegt dem Kaiser ob, welcher die Offiziere und
Beamten der Marine ernennt, und für welchen dieselben nebst den
Mannschaften eidlich in Pflicht zu nehmen sind.
Der Kieler Hafen und der Jadehafen sind Reichskriegshäfen.
Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit
zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird aus der
Reichskasse bestritten.
Die gesamte seemännische Bevölkerung des Reichs, einschließlich des
Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienste im
Landheere befreit, dagegen zum Dienste in der Kaiserlichen Marine
verpflichtet.
Die Kauffahrteischiffe aller
Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine.
Das Reich hat das Verfahren zur Ermittlung der Ladungsfähigkeit der
Seeschiffe zu bestimmen, die Ausstellung der Meßbriefe sowie der
Schiffszertifikate zu regeln und die Bedingungen festzustellen, von
welchen die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffes abhängig ist.
In den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen
Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten werden die Kauffahrteischiffe sämtlicher
Bundesstaaten gleichmäßig zugelassen und behandelt. Die Abgaben,
welche in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen
für die Benutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die
zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten erforderhchen
Kosten nicht übersteigen.
Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die
Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs
bestimmt sind, erhoben werden. Diese Abgaben sowie die Abgaben für
die Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigentum
sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung
der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf
die Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als
dieselbe auf schiffbaren Wasserstraßen betrieben wird.
Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben
zu legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen zu
entrichten sind, steht keinem Einzelstaate, sondern nur dem Reiche zu.
Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist
schwarz-weiß-rot.
Das gesamte Konsulatwesen des Deutschen
Reichs steht unter Aufsicht des Kaisers, welcher die Konsuln, nach
Vernehmung des Ausschusses des Bundesrates für Handel und Verkehr,
anstellt.
In dem Amtsbezirk der Deutschen Konsuln des Deutschen Reichs
dürfen neue Landeskonsulate nicht errichtet werden. Die Deutschen
Konsuln üben für die in ihrem Bezirk nicht vertretenen Bundesstaaten
die Funktionen eines Landeskonsuls aus. Die sämtlichen bestehenden
Landeskonsulate werden aufgehoben, sobald die Organisation der
Deutschen Konsulate dergestalt vollendet ist, daß die Vertretung der
Einzelinteressen aller Bundesstaaten als durch die Deutschen Konsulate
gesichert von dem Bundesrate anerkannt wird.
Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich
in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen.
Die Kosten und Lasten des gesamten
Kriegswesens des Reichs sind von allen Bundesstaaten und ihren
Angehörigen gleichmäßig zu tragen, so daß weder Bevorzugungen noch
Prägravationen einzelner Staaten oder Klassen grundsätzlich zulässig
sind. Wo die gleiche Verteilung der Lasten sich in natura nicht herstellen
läßt, ohne die öffentliche Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung
nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung
festzustellen.
Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre
lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28.
Lebensjahre, dem stehenden Heere - und zwar die ersten drei Jahre bei
den Fahnen, die letzten vier Jahre in der Reserve - und die folgenden
fünf Lebensjahre der Landwehr ersten Aufgebots und sodann bis zum 31.
März desjenigen Kalenderjahres, in welchem das neununddreißigste Lebensjahr
vollendet wird, der Landwehr zweiten Aufgebots an. In
denjenigen Bundesstaaten, in denen bisher eine längere als zwölfjährige
Gesamtdienstzeit gesetzlich war, findet die allmähliche Herabsetzung der
Verpflichtung nur in dem Maße statt, als dies die Rücksicht auf die
Kriegsbereitschaft des Reichsheeres zuläßt.
In bezug auf die Auswanderung der Reservisten sollen lediglich
diejenigen Bestimmungen maßgebend sein, welche für die Auswanderung der Landwehrmänner gelten.
Die Friedens-Präsenzstärke des
deutschen Heeres wird bis zum 31. Dezember 1871 auf ein Prozent der
Bevölkerung von 1867 normiert, und wird pro rata derselben von den
einzelnen Bundesstaaten gestellt. Für die spätere Zeit wird die Friedens-
Präsenzstärke des Heeres im Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt.
Nach
Publikation der Verfassung ist in dem ganzen Reiche die gesamte
Preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, sowohl die
Gesetze selbst als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Ergänzung
erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte, namentlich als das
Militär-Strafgesetzbuch vom 3. April 1845, die Militär-Strafgerichtsordnung
vom 3. April 1845, die Verordnung über die Ehrengerichte vom
20.Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit, Servis-
und Verpflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von Flurbeschädigungen,
Mobilmachung usw. für Krieg und Frieden. Die Militär-Kirchenordnung
ist jedoch ausgeschlossen.
Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegsorganisation des deutschen
Heeres wird ein umfassendes Reichs-Militärgesetz dem Reichstage
und dem Bundesrate zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung
vorgelegt werden.
Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesamte
deutsche Heer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind bis
zum 31Dezember 1871 dem Kalser jährlich sovielmal 225 Taler, in
Worten zweihundertfünfundzwanzig Taler, als die Kopfzahl der Friedensstärke
des Heeres nach Artikel 60 beträgt, zur Verfügung zu stellen.
Vgl. Abschnitt XII.
Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beträge von den einzelnen
Staaten des Bundes zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur
Berechnung derselben wird die im Artikel 60 interimistisch festgestellte
Friedens-Präsenzstärke so lange festgehalten, bis sie durch ein Reichsgesetz
abgeändert ist.
Die Verausgabung dieser Summe für das gesamte Reichsheer und
dessen Einrichtungen wird durch das Etatgesetz festgestellt.
Bei der Festellung des Militär-Ausgabeetats wird die auf Grundlage
dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Reichsheeres
zugrunde gelegt.
Die gesamte
Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer bilden, welches in
Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht.
Die Regimenter usw. führen fortlaufende Nummern durch das ganze
deutsche Heer. Für die Bekleidung sind die Grundfarben und der
Schnitt der Königlich Preußischen Armee maßgebend. Dem betreffenden
Kontingentsherrn bleibt es überlassen, die äußeren Abzeichen
(Kokarden usw.) zu bestimmen.
Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, daß
innerhalb des deutschen Heeres alle Truppenteile vollzählig und kriegstüchtig
vorhanden sind und daß Einheit in der Organisation und
Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung der
Mannschaften sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und
erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Kaiser berechtigt, sich jederzeit
durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu
überzeugen und die Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel anzuordnen.
Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Einteilung
der Kontingente des Reichsheeres sowie die Organisation der
Landwehr und hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die Garnisonen
zu bestimmen sowie die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Teiles
des Reichsheeres anzuordnen.
Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Administration,
Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppenteile des deutschen
Heeres sind die bezüglichen künftig ergehenden Anordnungen für
die Preußische Armee den Kommandeuren der übrigen Kontingente,
durch den Artikel 8 Nr.1 bezeichneten Ausschuß für das Landheer und die
Festungen, zur Nachachtung in geeigneter Weise mitzuteilen.
Alle deutschen Truppen sind verpflichtet, den Befehlen des Kaisers unbedingte
Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid aufzunehmen.
Der Höchstkommandierende eines Kontingents sowie alle Offiziere,
welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle
Festungskommandanten werden von dem Kaiser ernannt. Die von
denselben ernannten Offiziere leisten ihm den Fahneneid. Bei Generalen
und den Generalstellungen versehenden Offizieren innerhalb des
Kontingents ist die Ernennung von der jedesmaligen Zustimmung des
Kaisers abhängig zu machen.
Der Kaiser ist berechtigt, behufs Versetzung mit oder ohne Beförderung
für die von ihm im Reichsdienste, sei es im preußischen Heere, oder
in anderen Kontingenten zu besetzenden Stellen aus den Offizieren aller
Kontingente des Reichsheeres zu wählen.
Das Recht, Festungen innerhalb des Bundesgebietes
anzulegen, steht dem Kaiser zu, welcher die Bewilligung der dazu
erforderlichen Mittel, soweit das Ordinarium sie nicht gewährt, nach
Abschnitt XII beantragt.
Wo nicht besondere Konventionen ein anderes bestimmen, ernennen die Bundesfürsten,
beziehentlich die Senate die Offiziere ihrer Kontingente, mit der
Einschränkung des Artikel 64. Sie sind Chefs aller ihren Gebieten angehörenden
Truppenteile und genießen die damit verbundenen Ehren. Sie
haben namentlich das Recht der Inspizierung zu jeder Zeit und erhalten,
außer den regelmäßigen Rapporten und Meldungen über vorkommende
Veränderungen, behufs der nötigen landesherrlichen Publikation, rechtzeitige
Mitteilung von den sie betreffenden Truppenteile berührenden
Avancements und Ernennungen.
Auch steht ihnen das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht bloß
ihre eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch alle anderen Truppenteile
des Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten disloziert
sind, zu requirieren.
Ersparnisse an dem Militäretat
fallen unter keinen Umständen einer einzelnen Regierung, sondern
jederzeit der Reichskasse zu.
Der Kaiser kann, wenn die
öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Teil
desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen,
die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen
Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten dafür die Vorschriften des
Preußischen Gesetzes vom 4.Juni 1851 (Gesetz-Samml. für 1851
S.451 ff.).
Alle Einnahmen und Ausgaben des
Reichs müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushaltsetat
gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatjahres nach
folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.
Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen
Ausgaben dienen zunächst die aus den Zöllen und gemeinsamen Steuern,
aus dem Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen sowie aus den übrigen
Verwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit die
Ausgaben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie durch
Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen,
welche in Höhe des budgetmäßigen Betrags durch den Reichskanzler ausgeschrieben
werden. Insoweit diese Beiträge in den Überweisungen keine Deckung
finden, sind sie den Bundesstaaten am Jahresschluß in dem Maße zu erstatten, als die
übrigen ordentlichen Einnahmen des Reichs dessen Bedarf übersteigen.
Etwaige Überschüsse aus den Vorjahren dienen, insoweit durch das Gesetz über
den Reichshaushaltsetat nicht ein anderes bestimmt wird, zur Deckung gemeinschaftlicher
außerordentlicher Ausgaben.
Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr bewilligt, können jedoch in besonderen
Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden.
Während der im Artikel 60 normierten Übergangszeit ist der nach Titeln
geordnete Etat über die Ausgaben für das Heer dem Bundesrate und
dem Reichstage nur zur Kenntnisnahme und zur Erinnerung vorzulegen.
Über die Verwendung aller Einnahmen
des Reichs ist durch den Reichskanzler dem Bundesrate und dem
Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen.
In Fällen eines außerordentlichen
Bedürfnisses kann im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer
Anleihe sowie die Übernahme einer Garantie zu Lasten des Reichs
erfolgen.
Jedes Unternehmen
gegen die Existenz, die Integrität, die Sicherheit oder die Verfassung des
Deutschen Reichs, endlich die Beleidigung des Bundesrates, des Reichstages,
eines Mitgliedes des Bundesrates oder des Reichstages, einer
Behörde oder eines öffentlichen Beamten des Reichs, während dieselben
in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind oder in Beziehung auf
ihren Beruf, durch Wort, Schrift, Druck, Zeichen, bildliche oder andere
Darstellung, werden in den einzelnen Bundesstaaten beurteilt und
bestraft nach Maßgabe der in den letzteren bestehenden oder künftig in
Wirksamkeit tretenden Gesetze, nach welchen eine gleiche gegen den
einzelnen Bundesstaat, seine Verfassung, seine Kammern oder Stände,
seine Kammer- oder Ständemitglieder, seine Behörden und Beamten
begangene Handlung zu richten wäre.
Für diejenigen
in Artikel 74 bezeichneten Unternehmungen gegen das Deutsche Reich,
welche, wenn gegen einen der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, als
Hochverrat oder Landesverrat zu qualifizieren wären, ist das gemeinschaftliche
Ober-Appell ationsgericht der drei freien und Hansestädte in
Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster und letzter Instanz.
Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren
des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Reichsgesetzgebung.
Bis zum Erlasse eines Reichsgesetzes bewendet es bei der seitherigen
Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und den
auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen.
Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern
dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten
Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen
Teils von dem Bundesrate erledigt.
Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassung
nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten
bestimmt ist, hat auf Anrufen eines Teiles der Bundesrat gütlich
auszugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Reichsgesetzgebung
zur Erledigung zu bringen.
Wenn in einem Bundesstaate der Fall
einer Justizverweigerung eintritt, und auf gesetzlichem Wege ausreichende
Hilfe nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrate ob,
erwiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen des
betreffenden Bundesstaates zu beurteilende Beschwerden über verweigerte
oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen und darauf die gerichtliche
Hilfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß
gegeben hat, zu bewirken.
Veränderungen der Verfassung
erfolgen im Wege der Gesetzgebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sie
im Bundesrate 14 Stimmen gegen sich haben.
Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche bestimmte
Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit
festgestellt sind, können nur mit Zustimmung des berechtigten
Bundesstaates abgeändert werden.
II
ReichsgesetzgebungArtikel 2
Artikel 3
Artikel 4
Artikel 5
III
BundesratArtikel 6
Hannover, Kurhessen, Holstein, Nassau und Frankfurt 17 Stimmen führt, Bayern 6 Stimmen Sachsen 4 Stimmen Württemberg 4 Stimmen Baden 3 Stimmen Hessen 3 Stimmen Mecklenburg-Schwerin 2 Stimmen Sachsen-Weimar 1 Stimme Mecklenburg-Strelitz 1 Stimme Oldenburg 1 Stimme Braunschweig 2 Stimmen Sachsen-Meiningen 1 Stimme Sachsen-Altenburg 1 Stimme Sachsen-Koburg-Gotha 1 Stimme Anhalt 1 Stimme Schwarzburg-Rudolstadt 1 Stimme Schwarzburg-Sondershausen 1 Stimme Waldeck 1 Stimme Reuß älterer Linie 1 Stimme Reuß jüngerer Linie 1 Stimme Schaumburg-Lippe 1 Stimme Lippe 1 Stimme Lübeck 1 Stimme Bremen 1 Stimme Hamburg 1 Stimme zusammen 51 Stimmen
Artikel 7
Artikel 8
Artikel 9
Artikel 10
IV
PräsidiumArtikel 11
Artikel 12
Artikel 13
Artikel 14
Artikel 15
Artikel 16
Artikel 17
Artikel 18
Artikel 19
V
ReichstagArtikel 20
Artikel 21
Artikel 22
Artikel 23
Artikel 24
Artikel 25
Artikel 26
Artikel 27
Artikel 28
Artikel 29
Artikel 30
Artikel 31
Artikel 32
Zoll- und HandelswesenArtikel 33
Artikel 34
Artikel 35
Artikel 36
Artikel 37
Artikel 38
Artikel 39
Artikel 40
EisenbahnwesenArtikel 41
Artikel 42
Artikel 43
Artikel 44
Artikel 45
Artikel 46
Artikel 47
VIII
Post- und TelegraphenwesenArtikel 48
Artikel 49
Artikel 50
Artikel 51
Artikel 52
Marine und SchiffahrtArtikel
53
Artikel 54
Artikel 55
X
KonsulatwesenArtikel 56
XI
ReichskriegswesenArtikel 57
Artikel 58
Artikel 59
Artikel 60
Artikel 61
Artikel 62
Artikel 63
Artikel 64
Artikel 65
Artikel 66
Artikel 67
Artikel 68
Schlußbestimmung zum XI. Abschnitt
XII
ReichsfinanzenArtikel 69
Artikel 70
Artikel 71
Artikel 72
Artikel 73
Schlußbestimmungen zum XII. Abschnitt
XIII
Schlichtung von Streitigkeiten und StrafbestimmungenArtikel 74
Artikel 75
Artikel 76
Artikel 77
Allgemeine BestimmungenArtikel 78