Dritte Steuernotverordnung. Vom 14. Februar 1924.

(RGBl. I, Nr. 11 vom 14. Februar 1924, S. 74; Ber. S. 172)

– Auszug –

Liste der Änderungen:
(I)Erste Verordnung zur Durchführung des Münzgesetzes vom 10. Oktober 1924 (RGBl. II S. 383)
(II)Art. I des Gesetzes über die Verlängerung der Fristen der Dritten Steuernotverordnung vom 27. März 1925 (RGBl. I S. 29)
(III)Art. II und III des Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer der Dritten Steuernotverordnung vom 28. Juni 1925 (RGBl. I S. 92)
(IV)Art. III des Gesetzes über die Verlängerung der Fristen der Dritten Steuernotverordnung vom 27. März 1925 (RGBl. I S. 29) i. V. m.
Art. I des Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer der Dritten Steuernotverordnung vom 28. Juni 1925 (RGBl. I S. 92)

Auf Grund des Ermächtigungsgeſetzes vom 8. Dezember 1923 (Reichsgeſetzbl. I S. 1179) wird nach Anhörung eines Ausſchuſſes des Reichstags und eines Ausſchuſſes des Reichsrats von der Reichsregierung folgendes verordnet:

Artikel I
Aufwertung

§ 1

(1) Anſprüche aus Rechtsverhältniſſen, die vor dem Inkrafttreten dieſer Verordnung begründet ſind und die Zahlung einer beſtimmten in Reichswährung ausgedrückten Geldſumme zum Gegenſtande haben, werden, ſoweit es ſich um Vermögensanlagen handelt, die durch den Währungsverfall entwertet ſind, nach Maßgabe der §§ 2 bis 11 aufgewertet. Dies gilt nicht, wenn der verbliebene Geldwert fünfzehn vom Hundert des urſprünglichen Goldmarkbetrags (§ 2 Abſ. 2) erreicht oder überſteigt.

(2) Als Vermögensanlagen im Sinne dieſer Verordnung gelten:

  1. Hypotheken, Grundſchulden und Rentenſchulden;
  2. Reallaſten;
  3. Pfandrechte an im Schiffsregiſter eingetragenen Schiffen und an Bahneinheiten;
  4. durch Hypothek, Schiffspfandrecht oder Bahnpfandrecht geſicherte Forderungen;
  5. Pfandbriefe, Rentenbriefe und andere verzinsliche oder an Stelle der Verzinſung mit einem Aufgeld rückzahlbare Schuldverſchreibungen von Grundkreditanſtalten und Schiffsbeleihungsbanken ſowie von Ablöſungsanſtalten, ſofern den Gläubigern an der den Schuldverſchreibungen zugrunde liegenden Deckung ein Pfandrecht oder ein Recht auf vorzugsweiſe Befriedigung im Konkurſe zuſteht;
  6. Schuldverſchreibungen der in Ziffer 5 bezeichneten Art, ſofern den Gläubigern an der den Schuldverſchreibungen zugrunde liegenden Deckung ein Pfandrecht oder ein Recht auf vorzugsweiſe Befriedigung im Konkurſe nicht zuſteht;
  7. verzinsliche oder an Stelle der Verzinſung mit einem Aufgeld rückzahlbare Schuldverſchreibungen, die auf den Inhaber lauten oder durch Indoſſament übertragbar ſind, wenn ſie von natürlichen Perſonen, Perſonenvereinigungen oder juriſtiſchen Perſonen des Privatrechts ausgegeben ſind;
  8. Schuldverſchreibungen der in Ziffer 7 bezeichneten Art, wenn ſie von juriſtiſchen Perſonen des öffentlichen Rechtes als Unternehmer wirtſchaftlicher Betriebe ausgegeben ſind; ob im Einzelfalle dieſe Vorausſetzung vorliegt, entſcheidet der Reichsminiſter der Juſtiz mit Zuſtimmung des Reichsrats;
  9. Guthaben bei öffentlichen oder unter Staatsaufſicht ſtehenden Sparkaſſen;
  10. Anſprüche der Verſicherten aus Lebensverſicherungsverträgen.
§ 2

(1) Anſprüche aus Vermögensanlagen der im § 1 Abſ. 2 Ziffer 1, 2, 3 bezeichneten Art werden auf fünfzehn vom Hundert des Goldmarkbetrags aufgewertet. Der Schuldner kann eine Herabſetzung der Aufwertung verlangen, wenn dies mit Rückſicht auf ſeine wirtſchaftliche Lage zur Abwendung einer groben Unbilligkeit unabweisbar erſcheint. Die Herabſetzung des Aufwertungsbetrags iſt nur zuläſſig, wenn das Verlangen bis zum 31. Dezember 1924 bei der Aufwertungsſtelle (§ 9) geſtellt wird.

(2) Als Goldmarkbetrag gilt bei Anſprüchen, die der Gläubiger oder ſein Erblaſſer vor dem 1. Januar 1918 erworben hat, der Nennbetrag. Bei ſpäter erworbenen Anſprüchen iſt für die Berechnung des Goldmarkbetrags der Tag des Erwerbes maßgebend; der Goldmarkbetrag wird dadurch feſtgeſtellt, daß der Nennbetrag nach dem letzten auf Grund der amtlichen Berliner Kurſe für Auszahlung New York errechneten Mittelkurs in Goldmark umgerechnet wird. Für die Zeit, in der der nordamerikaniſche Dollar an der Berliner Börſe amtlich nicht notiert wurde, beſtimmt die Reichsregierung den maßgebenden Börſenkurs. An Stelle des Nennbetrags iſt der Erwerbspreis der Berechnung zugrunde zu legen, wenn er niedriger iſt.

(3) Der Aufwertungsbetrag hat den dinglichen Rang des aufgewerteten Rechtes. Die Aufwertung iſt, ſofern das aufgewertete Recht eingetragen iſt, auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners im Grundbuch einzutragen. Iſt die Herabſetzung des Aufwertungsbetrags rechtzeitig bei der Aufwertungsſtelle beantragt, ſo iſt auf Antrag des Eigentümers ein Widerſpruch einzutragen.

(4) Die Vorſchrift des Abſ. 3 findet auf Pfandrechte an im Schiffsregiſter eingetragenen Schiffen und an Bahneinheiten entſprechende Anwendung.

§ 3

Anſprüche der im § 1 Abſ. 2 Ziffer 4 bezeichneten Art werden nach Maßgabe der Vorſchriften des § 2 Abſ. 1, 2 aufgewertet, ſoweit nicht nach allgemeinen Vorſchriften eine höhere oder geringere Aufwertung ſtattfindet.

§ 4

(1) Anſprüche aus Schuldverſchreibungen der im § 1 Abſ. 2 Ziffer 6, 7, 8 bezeichneten Art werden nach Maßgabe des § 2 Abſ. 1 aufgewertet. Bei Teilſchuldverſchreibungen kann eine Herabſetzung des Aufwertungsbetrags nur in der Weiſe verlangt werden, daß die Anſprüche aller Gläubiger gleichmäßig aufgewertet werden.

(2) Als Goldmarkbetrag gilt bei Schuldverſchreibungen, die vor dem 1. Januar 1918 ausgegeben ſind, der Nennbetrag. Bei ſpäter ausgegebenen Schuldverſchreibungen iſt für die Berechnung des Goldmarkbetrags der Tag der Ausgabe maßgebend. Der Goldmarkbetrag wird dadurch feſtgeſtellt, daß der Nennbetrag nach dem letzten auf Grund der amtlichen Berliner Kurſe für Auszahlung New York errechneten Mittelkurs in Goldmark umgerechnet wird. Für die Zeit, in der der nordamerikaniſche Dollar an der Berliner Börſe amtlich nicht notiert wurde, beſtimmt die Reichsregierung den maßgebenden Börſenkurs.

§ 5

(1) Die Zahlung der gemäß §§ 2 bis 4 aufgewerteten Kapitalbeträge kann nicht vor dem 1. Januar 1932 verlangt werden.

(2) Die aufgewerteten Anſprüche ſind bis zum 31. Dezember 1924 unverzinslich. Rückſtändige Zinſen gelten als mit dem Inkrafttreten dieſer Verordnung erlaſſen. Vom 1. Januar 1925 ab beträgt der Zinsſatz 2 vom Hundert; er erhöht ſich in jedem weiteren Jahre um je 1 vom Hundert, bis der Satz von 5 vom Hundert erreicht iſt. Die Verpflichtung zur Leiſtung von Tilgungsbeträgen ruht bis zu dieſem Zeitpunkt.

(3) Wiederkehrende Leiſtungen, die auf Grund einer Reallaſt oder Rentenſchuld geſchuldet werden, ſind im Jahre 1925 mit 40 vom Hundert zu bewirken; in jedem weiteren Jahre erhöht ſich der Satz um 20 vom Hundert, bis der aufgewertete Betrag der Jahresleiſtung erreicht iſt.

§ 6

(1) Anſprüche aus Pfandbriefen und anderen Schuldverſchreibungen der im § 1 Abſ. 2 Ziffer 5 bezeichneten Art werden in der Weiſe aufgewertet, daß die Teilungsmaſſe gleichmäßig unter die Gläubiger im Verhältnis der nach Maßgabe des § 4 Abſ. 2 feſtzuſtellenden Goldmarkbeträge ihrer Anſprüche verteilt wird. Die Teilungsmaſſe beſteht aus der aufgewerteten Deckung der Schuldverſchreibungen und einem etwa aus dem ſonſtigen Vermögen des Schuldners zu leiſtenden Beitrag unter Abzug eines Beitrags zu den Verwaltungskoſten.

(2) Die Reichsregierung trifft die näheren Beſtimmungen über die Bildung und Verteilung der Teilungsmaſſe ſowie über den vom Schuldner zu der Teilungsmaſſe zu leiſtenden Beitrag. Die Reichsregierung oder die von ihr beſtimmte Stelle gibt Grundſätze für die Bemeſſung des Verwaltungskoſtenbeitrags.

§ 7

(1) Sparkaſſenguthaben (§ 1 Abſ. 2 Ziffer 9), die bis zum 31. Dezember 1924 bei der Aufwertungsſtelle angemeldet ſind, werden in der Weiſe aufgewertet, daß die Teilungsmaſſe von einem Treuhänder unter die Gläubiger verteilt wird. Der von dem Treuhänder aufgeſtellte Teilungsplan bedarf der Genehmigung der Landesregierung oder einer von ihr beſtimmten Stelle.

(2) Die Teilungsmaſſe beſteht aus dem nach Maßgabe dieſer Verordnung aufgewerteten Sparkaſſenvermögen und einem etwa aus dem ſonſtigen Vermögen des Schuldners zu leiſtenden Beitrag unter Abzug eines Beitrags zu den Verwaltungskoſten.

(3) Die Gläubiger werden nach folgender Rangordnung, bei gleichem Range nach den Verhältniſſen ihrer Forderungen, berückſichtigt:

  1. Guthaben, die auf Grund geſetzlichen Zwanges zur mündelſicheren Anlage begründet ſind. Dem geſetzlichen Zwange ſteht der Zwang durch die Vorſchriften der Satzung, Stiftung oder ſonſtigen Verfaſſung einer inländiſchen Perſonenvereinigung, Körperſchaft oder Vermögensmaſſe gleich, ſofern ſie ausſchließlich gemeinnützigen, mildtätigen, ethiſchen oder religiöſen Zwecken dienen;
  2. alle übrigen Guthaben.

(4) Die Landesregierungen oder die von ihr beſtimmten Stellen treffen die näheren Beſtimmungen über die Bildung und Verteilung der Teilungsmaſſe, ſowie über den vom Schuldner zu der Teilungsmaſſe zu leiſtenden Beitrag; ſie geben Grundſätze für die Bemeſſung des Verwaltungskoſtenbeitrags.

§ 8

Anſprüche der Verſicherten aus Lebensverſicherungsverträgen werden in der Weiſe aufgewertet, daß das nach Maßgabe dieſer Verordnung aufgewertete Vermögen der Verſicherungsunternehmungen nebſt einem etwaigen aus dem ſonſtigen Vermögen des Schuldners zu leiſtenden Beitrag nach näherer Beſtimmung der Reichsregierung einem Treuhänder überwieſen wird. Der Treuhänder hat den ihm überwieſenen Betrag nach Abzug der Verwaltungskoſten zugunſten der Verſicherten nach einem von der Aufſichtsbehörde genehmigten Teilungsplane zu verwenden. Als Lebensverſicherung gilt auch die Invaliditäts-, Alters-, Witwen-, Waiſen-, Ausſteuer- und Militärdienſtverſicherung, gleichviel ob auf Kapital oder Rente.

§ 9

(1) Beſteht Streit über die Höhe des nach den Vorſchriften der §§ 1 bis 8 zu berechnenden Aufwertungsbetrags oder iſt ein Verlangen auf Herabſetzung des Aufwertungsbetrags geſtellt, ſo entſcheidet hierüber ausſchließlich die Aufwertungsſtelle.

(2) Die Aufwertungsſtelle wird von der Reichsregierung nach Anhörung des Reichsrats bezeichnet.

(3) Die Aufwertungsſtelle hat den Verſuch einer gütlichen Einigung zu machen; ſie kann Sachverſtändige zum Einigungstermine zuziehen. Im übrigen finden auf das Verfahren die Vorſchriften des Reichsgeſetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ſinngemäß Anwendung.

(4) Gegen die Entſcheidung der Aufwertungsſtelle findet die ſofortige Beſchwerde ſtatt. Sie kann nur darauf geſtützt werden, daß die Entſcheidung auf einer Verletzung des Geſetzes beruht. Die Frage, ob im einzelnen Falle die Vorſchrift des § 2 Abſ. 1 Satz 2 richtig angewendet iſt, unterliegt nicht der Nachprüfung durch das Beſchwerdegericht. Über die ſofortige Beſchwerde entſcheidet das Oberlandesgericht. Die Vorſchriften des § 28 Abſ. 2, 3, § 199 des Reichsgeſetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden entſprechende Anwendung.

(5) Die rechtskräftige Entſcheidung der Aufwertungsſtelle iſt vollſtreckbar und für die Gerichte bindend.

(6) Die Aufwertungsſtelle erhebt nach Maßgabe der Durchführungsbeſtimmungen eine Gebühr und verteilt die Koſten auf die Beteiligten nach billigem Ermeſſen.

(7) Die Zuſtändigkeit der Aufwertungsſtelle kann auch für andere mit der Aufwertung zuſammenhängende Anſprüche vereinbart werden, auf die ſich die Vorſchriften der §§ 1 bis 8 nicht erſtrecken.

§ 10

In bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten iſt das Verfahren auf Antrag auszuſetzen, ſoweit die Entſcheidung von der Höhe der Aufwertung eines der im § 1 bezeichneten Anſprüche abhängt. Der Antrag auf Ausſetzung kann vor dem Gerichtsſchreiber zu Protokoll erklärt werden.

§ 11

Hat der Gläubiger, ohne ſich ſeine Rechte vorzubehalten, in den Fällen des § 1 Abſ. 2 Ziffer 1 bis 3 die Löſchung des Rechtes bewilligt, in den Fällen der Ziffer 4 bis 10 die Zahlung angenommen, ſo kann eine Aufwertung auch wegen ungerechtfertigter Bereicherung oder auf Grund einer Anfechtung wegen Irrtums oder aus einem anderen Rechtsgrund nicht verlangt werden. Findet infolge dieſer Regelung ein anhängiger Rechtsſtreit ſeine Erledigung, ſo trägt jede Partei die ihr entſtandenen außergerichtlichen Koſten. Die Gerichtskoſten werden niedergeſchlagen.

§ 12

(1) Soweit die Aufwertung von Anſprüchen aus Vermögensanlagen anderer als der im § 1 Abſ. 2 bezeichneten Art verlangt werden kann, darf ſie das im § 2 vorgeſehene Maß nicht überſteigen. Die Vorſchrift des § 11 gilt entſprechend.

(2) Anſprüche aus gegenſeitigen Verträgen, Geſellſchaftsverträgen und anderen Beteiligungsverhältniſſen ſowie Anſprüche auf wiederkehrende Leiſtungen, die bei Abfindungen, Auseinanderſetzungen oder ähnlichen Rechtsvorgängen begründet ſind, gelten nicht als Vermögensanlage im Sinne des Abſ. 1.

(3) Anſprüche aus einer laufenden Rechnung oder einem Kontokurrent, die den Saldo als ſolchen betreffen, werden nicht aufgewertet.

§ 13

(1) Vereinbarungen über die Aufwertung der im § 1 Abſ. 2, § 12 bezeichneten Vermögensanlagen bleiben unberührt und können auch in Zukunft getroffen werden.

(2) Soweit der vereinbarte Aufwertungsbetrag den Satz von 15 vom Hundert des Goldmarkbetrags nicht überſchreitet, findet die Vorſchrift des § 2 Abſ. 3 Anwendung. Soweit der vereinbarte Aufwertungsbetrag dieſen Satz überſchreitet, gilt die Vereinbarung als Begründung eines neuen Schuldverhältniſſes und nimmt der Aufwertungsbetrag an dem dinglichen Range des aufgewerteten Rechtes nicht teil.

§ 14

Iſt die Aufwertung durch ein Sondergeſetz oder durch ein beim Inkrafttreten dieſer Verordnung rechtskräftiges Urteil geregelt, ſo finden die Vorſchriften dieſes Artikels keine Anwendung.

§ 15

Rechte, Anſprüche und Befugniſſe, die auf vor dem Inkrafttreten dieſer Verordnung abgeſchloſſenen internationalen Vereinbarungen oder den zu ihrer Durchführung erlaſſenen Geſetzen beruhen oder die zur Erfüllung von Verpflichtungen aus ſolchen Vereinbarungen begründet ſind, bleiben unberührt.

Artikel III
A. Geldentwertungsausgleich zugunſten des Reichs

1. Geldentwertungsausgleich bei Schuldverſchreibungen

§ 17

Von ſolchen natürlichen Perſonen, Perſonenvereinigungen und juriſtiſchen Perſonen des Privatrechts, die zur Tilgung von Schuldverſchreibungen berechtigt oder verpflichtet geweſen ſind oder noch ſind, wird eine Steuer nach den Beſtimmungen der §§ 18 bis 23 erhoben.

§ 18

(1) Schuldverſchreibungen im Sinne dieſer Beſtimmungen ſind:

  1. die im § 25 Abſ. 1 zu a des Kapitalverkehrſteuergeſetzes vom 8. April 1922 (Reichsgeſetzbl. I S. 354) bezeichneten Schuld- oder Rentenverſchreibungen inländiſcher Schuldner,
  2. ſchuldverſchreibungsähnliche Aktien inländiſcher Aktiengeſellſchaften und Kommanditgeſellſchaften auf Aktien, ſoweit ſie bis zum Inkrafttreten dieſer Verordnung getilgt ſind. Als ſchuldverſchreibungsähnliche Aktien gelten Aktien, bei denen der Gewinnanteil und der Anteil am Liquidationserlöſe ſowie im Falle der Einziehung nach § 227 des Handelsgeſetzbuchs der Rückzahlungsbetrag auf einen Hundertſatz des Nennbetrags beſchränkt iſt, es ſei denn, daß es ſich um Aktien handelt, die ein über die Vorſchriften des § 252 Abſ. 1 Satz 2, § 320 Abſ. 3 des Handelsgeſetzbuchs hinausgehendes Stimmrecht gewähren.

(2) Zwiſchenſcheine über Einzahlungen ſtehen den Verſchreibungen oder Aktien gleich.

§ 19

(1) Von der Steuer ſind Grundkreditanſtalten und Schiffsbeleihungsbanken befreit.

(2) Der Steuer unterliegen ferner nicht

  1. Schuldverſchreibungen, die vor dem 1. Januar 1918 getilgt worden ſind,
  2. wertbeſtändige oder auf ausländiſche Währung lautende Schuldverſchreibungen,
  3. Schuldverſchreibungen, ſoweit für ſie bebaute Grundſtücke haften, die durch eine auf Grund der §§ 26 bis 32 erlaſſene Steuer beſonders erfaßt werden.
§ 20

Steuerſchuldner iſt, wer zur Tilgung (Rückkauf, Einlöſung, Einziehung) der Schuldverſchreibungen nach den für ſie gegebenen Beſtimmungen verpflichtet oder berechtigt geweſen iſt oder wem die Verpflichtung oder Berechtigung zur Tilgung obliegt.

§ 21

(1) Die Steuer beträgt 2 vom Hundert des um den Aufwertungsbetrag (§ 2 Abſ. 1 Satz 1) verminderten Goldmarkbetrags der Schuldverſchreibungen.

(2) Soweit die Schuldverſchreibungen bereits am Tage des Inkrafttretens dieſer Verordnung getilgt ſind, erhöht ſich die Steuer um den Betrag, um den der Goldwert des für die Tilgung aufgewendeten Betrags hinter dem Aufwertungsbetrage (§ 2 Abſ. 1 Satz 1) zurückbleibt.

§ 22

(1) Als Goldmarkbetrag gilt bei Schuldverſchreibungen, die vor dem 1. Januar 1918 begeben ſind, der Nennbetrag.

(2) Der Goldmarkbetrag von Schuldverſchreibungen, die ſeit dieſem Zeitpunkt begeben ſind, wird dadurch feſtgeſtellt, daß der Nennbetrag nach dem Mittelkurſe der amtlichen Notiz der Berliner Börſe für den nordamerikaniſchen Dollar (Auszahlung New York) am Tage der Begebung in Goldmark umgerechnet wird. Für die Zeit, in der der nordamerikaniſche Dollar an der Berliner Börſe amtlich nicht notiert wurde, beſtimmt die Reichsregierung den maßgebenden Börſenkurs. Sind die Schuldverſchreibungen zu einem über den Nennbetrag hinausgehenden Preiſe begeben, ſo iſt zunächſt das Aufgeld dem Nennbetrage hinzuzurechnen.

(3) Der Reichsminiſter der Finanzen kann über die Feſtſtellung des Goldmarkbetrags ſchuldverſchreibungsähnlicher Aktien (§ 18 Abſ. 1 zu b) beſondere Beſtimmungen erlaſſen.

(4) Der Goldwert des für die Tilgung von Schuldverſchreibungen aufgewendeten Betrags (§ 21 Abſ. 2) iſt unter entſprechender Anwendung des Abſ. 2 in Goldmark umzurechnen; der Reichsminiſter der Finanzen kann nähere Beſtimmungen über die Feſtſtellung des aufgewendeten Betrags erlaſſen.

§ 23

(1) Die Steuer des § 21 Abſ. 1 iſt am 1. März 1924, die Erhöhung des § 21 Abſ. 2 zu je 2 vom Hundert des Goldmarkbetrags der Schuldverſchreibungen am 1. Oktober 1924 und weiter in Abſtänden von je einem halben Jahre fällig; bleibt die Erhöhung oder ein Reſtbetrag der Erhöhung hinter 2 vom Hundert des Goldmarkbetrags der Schuldverſchreibungen zurück, ſo iſt der geringere Betrag zu dem maßgebenden Fälligkeitstage zu entrichten.

(2) Der Reichsminiſter der Finanzen kann für das beſetzte Gebiet die Fälligkeit abweichend feſtſetzen.

B. Geldentwertungsausgleich zugunſten der Länder

1. Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundſtücken

§ 26

(1) Die Länder und nach näherer Beſtimmung des Landesrechts die Gemeinden (Gemeindeverbände) erheben im Zuſammenhange mit der Regelung des Mietweſens von dem bebauten Grundbeſitz eine Steuer.

2. Geldentwertungsausgleich bei unbebauten Grundſtücken

§ 33

(1) Die Länder ſind berechtigt, von den Eigentümern ſolcher Grundſtücke, die nicht den Beſtimmungen über den Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundſtücken (§§ 26 bis 32) unterliegen und die mit einer auf Reichsmark lautenden Hypothek, Reallaſt, Grundſchuld oder Rentenſchuld belaſtet ſind oder in der Zeit ſeit dem 1. Januar 1919 belaſtet geweſen ſind, eine Abgabe zu erheben.

3. Geldentwertungsausgleich bei Holzverkäufen aus Forſten öffentlicher Körperſchaften

§ 37

(1) Die Landesregierungen ſind berechtigt, eine Abgabe von den natürlichen Perſonen, Perſonenvereinigungen und juriſtiſchen Perſonen zu erheben, die aus den Forſten öffentlicher Körperſchaften Holz bezogen und während der Zeit der Geldentwertung den beim Verkaufe vereinbarten Zahlungstermin nicht eingehalten oder den Kredit der öffentlichen Körperſchaft für das Kaufgeld in Anſpruch genommen haben. Iſt der von der öffentlichen Körperſchaft gewährte Kredit von dem Holzkäufer an ſeinen Abnehmer weitergegeben worden, ſo kann die Abgabepflicht auf den Abnehmer erſtreckt werden. Die Abgabe darf 20 vom Hundert des Geldwertunterſchieds nicht überſteigen, der ſich infolge der Zahlungsſäumnis oder der Kreditgewährung zugunſten des Abgabepflichtigen ergeben hat.

Artikel IV
Bewertung von Reichsmarkforderungen und -ſchulden für Steuern

§ 38

(1) Forderungen und Schulden, die auf Reichsmark lauten, und die bis zum 31. Dezember 1923 weder durch Vereinbarung noch durch rechtskräftige Entſcheidung aufgewertet worden ſind, ſind bei der Vermögenſteuerveranlagung zum 31. Dezember 1923 auch dann mit dem Papiermarknennbetrag unter Umrechnung in Goldmark gemäß Artikel II § 3 Abſ. 1 Nr. 8 der Zweiten Steuernotverordnung vom 19. Dezember 1923 (Reichsgeſetzbl. I S. 1205) zu bewerten, wenn die Möglichkeit einer Aufwertung beſteht. Entſprechendes gilt für die in Schuldverſchreibungen oder Pfandbriefen verbrieften Forderungen und Schulden, ſofern nach den am 31. Dezember 1923 maßgebenden Bedingungen die Zinszahlung und die Rückzahlung des Kapitals ausſchließlich auf Reichsmark abgeſtellt iſt.

(2) Die Beſtimmung des Abſ. 1 findet auf die Erbſchaftsſteuerveranlagung bei Erwerben, für welche die Steuerſchuld nach dem 30. Juni 1923 entſtanden iſt oder entſteht, mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle des 31. Dezember 1923 der nach § 31 des Erbſchaftsſteuergeſetzes maßgebende Zeitpunkt tritt.

Artikel IX.
Schlußbeſtimmungen

§ 58

Soweit das Reich dingliche Belaſtungen zur Erfüllung allgemeiner dringlicher Aufgaben des Reichs durch Geſetz anordnet, gehen dieſe Laſten der Beſteuerung nach §§ 26 bis 36 vor.

§ 64

(1) Die Reichsregierung wird ermächtigt, die zur Durchführung dieſer Verordnung erforderlichen Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorſchriften zu erlaſſen; ſie kann, ſoweit es ſich als notwendig erweiſen ſollte, für beſondere Fälle allgemeine Anordnungen ergänzenden oder abweichenden Inhalts treffen. Sie kann ferner beſtimmen, daß Zuwiderhandlungen gegen die Durchführungsbeſtimmungen mit Geldſtrafe und Gefängnis oder mit einer dieſer Strafen beſtraft werden.

(2) Der Reichsminiſter der Finanzen wird ermächtigt, mit Zuſtimmung des Reichsrats und eines Ausſchuſſes des Reichstags die im § 23 vorgeſehenen Friſten mit Rückſicht auf die Geſtaltung der allgemeinen Wirtſchaftslage abzuändern.

§ 65

Dieſe Verordnung tritt‚ ſoweit nicht ein anderer Zeitpunkt beſtimmt iſt, mit dem Tage der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 14. Februar 1924

Der Reichskanzler
Marx

Der Reichsminiſter der Finanzen
Dr. Luther

Der Reichsminiſter der Juſtiz
Emminger