Anordnung
über die Regelung der Versicherungsverhältnisse anläßlich der Vermögens- und Bestandsbeschlagnahme der Versicherungsunternehmen im sowjetischen Sektor von Groß-Berlin

(VOBl. Gr.-Bln. I, Nr. 22 vom 14. April 1950, S. 107)

Durch die am 20. Januar 1950 erlassene Durchführungsbestimmung Nr. 3 zur Vierten Verordnung zur Neuregelung des Geldwesens (DB Nr.3/UEVO) [VOBl. 1 I S. 42] ist nunmehr die Voraussetzung für eine abschließende Regelung der Ostberliner Versicherungsansprüche gegeben.

Ansprüche aus Versicherungsverträgen, die nach dem Zeitpunkt der Enteignung oder Beschlagnahme durch Beitragsleistung in Westberlin fortgeführt wurden, verbleiben gemäß Artikel 7 Abs.4 DB Nr. 3/UEVO in der Umstellungsrechnung der Versicherungsunternehmen; sie sind zu erfüllen.

Ansprüche aus Versicherungsverträgen, die nicht zu den fortgeführten Verträgen gehören, gelten gemäß Artikel 15 und 7 Abs. 4 DB Nr.3/UEVO in Verbindung mit Ziffer 54 der Umstellungsverordnung vom 4. Juli 1948 (UVO) [VOBl. I S. 374] mit Wirkung vom 1. Mai 1949 als erloschen.

Unter Aufhebung der bisherigen Sonderregelung des Rundschreibens 25/49 vom 12. Mai 1949 ordnen wir auf Grund der Ziffer 29 der Durchführungsbestimmung Nr.4 UVO und der §§ 81, 81 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes mit Wirkung für alle Versicherungsunternehmen folgendes an:

Erster Teil
Regelung für die in Ostmark geführten Versicherungsverträge des Ostberliner Bestandes

§ 1

(1) In der Lebensversicherung gelten Kapitalversicherungsverträge mit noch laufender Beitragszahlung als fortgeführt und sind von den Versicherungsunternehmen unter Beachtung der Bestimmungen des Abs. 4. zu erfüllen, wenn der Versicherungsnehmer nach dem 30. April 1949 den nächstfälligen und die weiteren Beiträge bis zum Erlaß dieser Anordnung in Westberlin, d. h., an eine Westberliner Verwaltungsstelle, an einen für diese tätigen Agenten oder auf ein Westberliner Konto des Versicherungsunternehmens entrichtet hat oder, falls noch eine Zahlungsfrist läuft, rechtzeitig entrichtet.

(2) Ist der letzte bisher fällig gewesene Beitrag vor dem 1. Mai 1949 fällig gewesen und in Westberlin entrichtet worden, so gelten die Verträge gleichfalls als fortgeführt und sind von den Versicherungsunternehmen unter Beachtung der Bestimmungen des Abs. 4 zu erfüllen, wenn der Versicherungsfall bis zum Ende des am 1. Mai 1949 laufenden Beitragszahlungsabschnitts eintritt oder der Versicherungsnehmer den nächsten nach Erlaß dieser Anordnung fälligen Beitrag in Westberlin rechtzeitig entrichtet.

(3) Sind die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nicht gegeben, so gelten die Ansprüche aus den Verträgen mit Wirkung vom 1. Mai 1949 als erloschen (Artikel 15 DB Nr.3/UEVO). Dies gilt auch für Ansprüche aus Versicherungen, die am 1. Mai 1949 bereits beitragsfrei waren, soweit sie nach § 7 Abs.4 DB Nr.3/UEVO in der Umstellungsrechnung nicht berücksichtigt werden können.

(4) Die Versicherungssummen der zu erfüllenden Kapitalversicherungsverträge sind mit Wirkung vom 25. Juni 1948 in entsprechender Anwendung des Abschnitts 1 des Rundschreibens 23/48 vom 26. Juli 1948, jedoch unter Zugrundelegung der aus der Anlage ersichtlichen Tabelle, neu festzusetzen und in einen (umgewerteten) West- und einen Ostmarkanteil aufzugliedern. § 1 Abs, 2 des Rundschreibens 23/48 ist in folgender Fassung anzuwenden:

Die Todesfall-Mehrleistung nach § 2 des Rundschreibens 23/48 ist ‒ der laufenden Beitragszahlung entsprechend ‒ in Ostmark zu gewähren; soweit sie von der Minderung des Nennbetrages der Versicherungssumme berechnet wird, ist als Nennbetrag der Gesamtnennbetrag des Ost- und Westmarkanteils zugrunde zu legen.

(5) Für Rentenversicherungen gilt die Regelung der Abs. 1 bis 4 entsprechend mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Versicherungssumme die versicherte Rente tritt.

(6) Fortgeführte Zusatzversicherungen laufen in Ostmark weiter und sind in dieser Währung zu erfüllen.

§ 2

(1) In der Schadenversicherung einschl. der Unfall- und Haftpflichtversicherung gelten Verträge als fortgeführt und sind von den Versicherungsunternehmen bedingungsgemäß zu erfüllen, wenn der Versicherungsnehmer nach dem 30. April 1949 den nächstfälligen und die weiteren Beiträge bis zum Erlaß dieser Anordnung in Westberlin rechtzeitig entrichtet hat.

(2) Ist der letzte bisher fällig gewordene Beitrag vor dem 1. Mal 1949 fällig gewesen und in Westberlin entrichtet worden, so gelten die Verträge gleichfalls als fortgeführt und sind von den Versicherungsunternehmen bedingungsgemäß zu erfüllen, wenn der Versicherungsfall bis zum Ende des am 1. Mal 1949 laufenden Beitragszahlungsabschnittes eintritt oder der Versicherungsnehmer den nächsten nach Erlaß dieser Anordnung fälligen Beitrag in Westberlin rechtzeitig entrichtet.

(3) Sind die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nicht gegeben, so gelten die Ansprüche aus den Verträgen mit Wirkung vom 1. Mai 1949 als erloschen (Artikel 15 DB Nr. 3/UEVO), mit Ausnahme der Ansprüche aus solchen Verträgen der Immobiliar- und der Hagelversicherung, deren Versicherungsnehmer ihren Wohnsitz in Westberlin haben, der versicherte Gegenstand oder das versicherte Interesse sich aber in Ostberlin befinden. Bei diesen Verträgen bedarf es zur Befreiung des Versicherers von seiner Leistungspflicht des Verfahrens nach § 39 VVG.

§ 3
In der privaten Krankenversicherung sind die Bestimmungen des § 2 entsprechend anzuwenden, die Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 jedoch mit der Maßgabe, daß bei Versicherungsfällen diejenigen Kosten bedingungsgemäß zu erstatten sind, die bis zum Ende des Beitragszahlungsabschnitts entstanden waren, für den der letzte in Westberlin entrichtete Beitrag bestimmt war.
§ 4

(1) Verbindlichkeiten aus vor dem 1. Mai 1949 eingetretenen Versicherungsfällen gelten dann nicht als erloschen, sondern sind bedingungsgemäß zu erfüllen, wenn der Bezugs- oder Empfangsberechtigte (in der Haftpflichtversicherung der Geschädigte) am 30. April 1949 seinen ständigen Wohnsitz in Westberlin hatte. Ist der Versicherungsfall vor dem 25. Juni 1948 eingetreten, so ist die Verbindlichkeit nach Westberliner Währungsrecht auf Westmark umzustellen und in Westmark zu erfüllen. Ist der Versicherungsfall nach dem 24. Juni 1948 eingetreten, so ist in der Lebensversicherung die Versicherungssumme gemäß § 1 Abs. 4 neu festzusetzen und in dieser Höhe zu leisten.

(2) Wohnen die Bezugs- oder Empfangsberechtigten oder die Geschädigten zum Teil in Ostberlin und zum andern Teil in Westberlin, so ist an die in Westberlin wohnenden Berechtigten der Teil der Versicherungsleistung zu bewirken, der auf sie entfällt.

(3) Wird ein Versicherungsanspruch auf Grund einer Inhaberklausel geltend gemacht, so ist nur in der Höhe zu leisten, in der ohne Inhaberklausel zu leisten gewesen wäre.

(4) Leistungsbeschränkungen, die sich aus anderen gesetzlichen Bestimmungen als der Ziffer 54 UVO oder aus einem den Versicherungsunternehmen gewährten Zahlungsaufschub ergeben, bleiben unberührt.

§ 5

Soweit nach den Bestimmungen des Rundschreibens 25/49 vom 12. Mai 1949 die Leistung vorläufig abzulehnen, einzubehalten oder aus einem gesperrten Konto zu bewirken war, hat die Regelung nunmehr nach den Bestimmungen dieser Anordnung zu erfolgen. Sind weitergehende Leistungen im Rahmen früherer Anordnungen bereits gewährt worden, so hat es dabei sein Bewenden.

§ 6

Für die Abgrenzung des Ostberliner Bestandes gegenüber dem Westberliner Bestand sind die Bestimmungen des Vierten Abschnitts der Anordnung über die Umstellung der Versicherungsverträge auf Deutsche Mark der Bank deutscher Länder (DM-West) [R 17/49] vom 26. März 1949 maßgebend. Soweit danach der Wohnsitz des Versicherungsnehmers entscheidend ist, ist Stichtag der 30. April 1949.

§ 7

Verbindlichkeiten aus neu zum Abschluß kommenden Versicherungsverträgen, bei denen der Versicherungsnehmer seinen ständigen Wohnsitz in Ostberlin hat oder der versicherte Gegenstand oder das versicherte Interesse sich in Ostberlin befinden, sind bedingungsgemäß zu erfüllen, wenn die Beiträge In Westberlin entrichtet werden.

§ 8

Bei allen Versicherungsverträgen mit Beitragszahlung in Ostmark haben die Versicherungsunternehmen mit den Versicherungsnehmern schriftlich zu vereinbaren, daß der auf Ostmark lautende Leistungsanspruch den besonderen vom Versicherungsnehmer zu tragenden Risiken dieser Währung unterliegt.

Zweiter Teil
Regelung für die in Westmark geführten Versicherungsverträge des Ostberliner Bestandes

§ 9

Verbindlichkeiten aus in Westmark geführten Versicherungsverträgen des Ostberliner Bestandes sind von den Versicherungsunternehmen bedingungsgemäß zu erfüllen.

Dritter Teil
Regelung der Verbindlichkeiten aus Versicherungsverträgen des Westberliner Bestandes gegenüber Empfangsberechtigten aus Ostberlin

§ 10

(1) Verbindlichkeiten aus Versicherungsverträgen des Westberliner Bestandes sind von den Versicherungsunternehmen auch dann bedingungsgemäß zu erfüllen, wenn der Bezugs- oder Empfangsberechtigte (in der Haftpflichtversicherung der Geschädigte) seinen ständigen Wohnsitz in Ostberlin hat.

(2) Leistungsbeschränkungen, die sich aus anderen gesetzlichen Bestimmungen als der Ziffer 54 UVO oder aus einem den Versicherungsunternehmen gewährten Zahlungsaufschub ergeben, bleiben unberührt.

Berlin, den 25. Januar 1950.

Magistrat von Groß-Berlin

Aufsichtsamt für das Versicherungswesen

I. A.: Giesen