(ZVOBl., Nr. 20 vom 28. Juni 1948, S. 215)
Bürger und Bürgerinnen Deutschlands!
In den westlichen Besatzungszonen Deutschlands ist die separate Währungsreform verkündet worden. Durch eine Anordnung der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsbehörden wird dort die deutsche Einheitswährung ‒ die Reichsmark ‒ aus dem Verkehr gezogen und eine Separatwährung eingeführt. Jetzt wird es in Deutschland keine einheitliche Staatswährung und keinen einheitlichen Geldumlauf mehr geben. Das geschieht gegen den Willen und gegen die Interessen des deutschen Volkes. Die Währungsreform wird separat durchgeführt im Interesse der amerikanischen, britischen und französischen Monopole, die eine Spaltung Deutschlands durchführen und danach trachten, Deutschland zu schwächen, indem sie sich seine Wirtschaftskraft unterwerfen.
Gegen die staatliche Einheit Deutschlands ist ein neuer schwerer Schlag geführt werden. Die Abkommen über den Kontrollmechanismus in Deutschland und die Potsdamer Beschlüsse‚ die eine Behandlung Deutschlands als einheitliches Ganzes und die Notwendigkeit einer Beibehaltung der Einheit des Geldumlaufs vorsehen, sind verletzt worden. Die in den drei westlichen Besatzungszonen durchgeführte Währungsreform vollendet die Spaltung Deutschlands.
Da sie die Verantwortung sowie die Empörung des deutschen Volkes fürchten, versuchen die Organisatoren der separaten Währungsreform, sie durch die Erfindung zu rechtfertigen, daß die Durchführung einer einheitlichen gesamtdeutschen Währungsreform angeblich unmöglich sei. Der Zweck dieser Erfindung ist die Täuschung der öffentlichen Meinung.
Eine einheitliche gesamtdeutsche Währungsreform auf der Grundlage eines Viermächteabkommens war eine durchaus mögliche und notwendige Angelegenheit.
Es ist allgemein bekannt, daß die Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland, die gemäß den Anweisungen der Sowjetregierung handelte, stets auf der Erhaltung der politischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands bestanden hat. Sie ist stets allen separaten Aktionen, die auf eine Spaltung Deutschlands gerichtet waren, entgegengetreten. In den Organen des Kontrollrats haben die Vertreter der Sowjetunion alle Möglichkeiten wahrgenommen, um ein Abkommen über die Durchführung einer einheitlichen Währungsreform für ganz Deutschland zu erreichen. Dabei bestanden die sowjetischen Vertreter auf der sofortigen Schaffung einer gesamtdeutschen Finanzverwaltung und einer zentralen deutschen Emissionsbank, damit die Deutschen selbst an der Durchführung der Reform teilnehmen und eine stabile Währung für die wirtschaftliche Wiederherstellung ihres Landes gewährleisten.
Die sowjetischen Vertreter im Kontrollrat schlugen vor, die Vorbereitung einer separaten Währungsreform in den einzelnen Zonen Deutschlands zu verurteilen. Ein Viermächteübereinkommen wurde für die Hauptgrundsätze der Durchführung einer gesamtdeutschen Währungsreform bereits erreicht. Ungeachtet dessen wurde eine gesamtdeutsche Währungsreform hintertrieben. Jetzt ist es klar, daß die amerikanischen, britischen und französischen Vertreter die Diskussion im Kontrollrat über eine gesamtdeutsche Währungsreform nur formal geführt haben, wobei sie diese Diskussion für eine geheime Vorbereitung einer separaten Währungsreform ausnutzten.
Man versucht, die separate Währungsreform auch dadurch zu rechtfertigen, daß man sich auf die Notwendigkeit beruft‚ den durch den Nationalsozialismus zerstörten Geldumlauf in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands zu regeln.
Aber drei Jahre lang haben die Besatzungsbehörden in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands faktisch die Durchführung von Maßnahmen zur Regelung des Geldumlaufs sabotiert. Der desorganisierte Geldumlauf wurde im Interesse der Unterwerfung der deutschen Wirtschaft durch die amerikanischen. englischen und französischen Monopole benutzt. In den westlichen Zonen standen den Großkapitalisten und Spekulanten die riesigen Summen, die sie an Kriegslieferungen und Spekulationen verdient haha, auch weiterhin voll zur Verfügung. In den westlichen Zonen wurden die deutschen Bank- und Industriemonopole beibehalten, von denen sich viele jetzt faktisch in Filialen dar Wallstreet, d. h. in Filialen der amerikanischen Bank- und Industriemonopole verwandelt haben.
Indem sie die Politik der Spaltung durchführen, stützen sich die amerikanischen, englischen und französischen Monopole in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands auf die Vertreter des deutschen Großkapitals und Junkertums‚ die seinerzeit die Machtergreifung des Faschismus gewährleistet sowie den zweiten Weltkrieg vorbereitet und entfesselt haben. Die separate Währungsreform verstärkt die politischen und wirtschaftlichen Positionen dieser reaktionären Kreise in Westdeutschland zum Schaden der Interessen des werktätigen Volkes.
Die in den westlichen Zonen geschaffenen bizonalen und trizonalen Organe, die sich als Vertreter des deutschen Volkes betrachten, sind, wie die Tatsachen zeigen, Marionetten in den Händen der englischen. amerikanischen und französischen Monopole.
Die separate Währungsreform fügt der wirtschaftlichen Wiederherstellung Deutschlands einen schweren Schaden zu. Statt einer einheitlichen deutschen Währung werden zwei Währungen eingeführt, statt einheitlichen Preise zweierlei Preise. Die Handelsbeziehungen innerhalb dem Landes werden zerstört. Der interzonale Handel verwandelt sich faktisch in einem Handel zwischen verschiedenen Staaten, da verschiedene Währungen vorhanden sind. Die Währung Westdeutschlands gerät unter die Kontrolle des amerikanischen Dollars, sogar bei innerdeutschen Verrechnungen‚ was die amerikanischen Monopole auch anstreben.
Die Voraussetzungen für den freien Personen- und Güterverkehr zwischen den Besatzungszonen Deutschlands werden zerrissen. Die Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands führt zu einem Bruch der im Laufe von Jahrhunderten entstandenen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Teilen Deutschlands. Sie wird sich negativ auf die wirtschaftliche Lage sämtlicher Gebiete Deutschlands, darunter auch der westlichen Zonen‚ auswirken, deren Wirtschaft immer unlösbar mit den Ostgebieten Deutschlands verbunden war. Sie bedeutet die Vollendung der Spaltung Deutschlands.
Deshalb ist der Versuch, die separate Währungsreform mit einem Geschrei über die Regelung des Geldumlaufs im Interesse der deutschen Wirtschaft zu rechtfertigen, verlogen.
In ihrem Bestreben, die Entwicklung der Friedenswirtschaft Deutschlands auf der Grundlage der Potsdamer Beschlüsse und im Interesse des deutschen Volkes zu sichern, hat sich die Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland um eine gesamtdeutsche Währungsreform bemüht. Die Sowjetische Militärverwaltung setzt sich nach wie vor für die Notwendigkeit einer politischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands ein; sie verurteilt aus diesem Grunde die Handlungen der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsbehörden zur Durchführung einer separaten Währungsreform und legt ihnen die gesamte Verantwortung für die Folgen dieser Handlungen auf.
Unter Berücksichtigung der entstandenen Lage gibt die Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland folgendes bekannt:
Diesen Bestimmungen wird Gesetzeskraft verliehen. Um die Interessen der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und des Gebietes von Groß-Berlin zu schützen und wirtschaftliche Störungen durch separate Handlungen der Westmächte zu verhindern, wird die Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland, wenn notwendig, weitere Maßnahmen ergreifen, die sich aus der entstandenen Lage ergeben.
Die Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland ist überzeugt, daß die deutsche Bevölkerung ihre Maßnahmen unterstützen und die notwendigen Schritte unternehmen wird, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die Wirtschaft zu entwickeln und den Geldumlauf in der sowjetischen Besatzungszone zu festigen.
Der Oberste Chef der Sowjetischen Militär-Administration und Oberkommandierende der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland
Marschall der Sowjetunion W. SOKOLWSKI