Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Gesetz
über den Erlaß von Schulden alter oder arbeitsunfähiger Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gegenüber dem Land Thüringen und seinen Gebietskörperschaften aus der Zeit vor dem 9. Mai 1945

Vom 4. Juli 1952
(RegBl. Thü., Nr. 20 vom 21. Juli 1952, S. 164)

Am 8. September 1950 hat die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik ein Gesetz über den Erlaß von Schulden an alte und arbeitsunfähige Bürger beschlossen. Dieses Gesetz regelte u. a. den Erlaß von Schulden, die aus Darlehen des früheren Reichs- und preußischen Vermögens stammen. Keine Regelung fand dieses Gesetz für Schulden aus Darlehen des früheren Landes Thüringen und seiner ehem. Gebietskörperschaften (Kreise und Gemeinden).

Die großen Leistungen unserer Aktivisten und aller Werktätigen, die den Volkswirtschaftsplan für das erste Jahr des Fünfjahrplanes übererfüllten, schufen die Voraussetzungen zur Erweiterung der Zielsetzung des Fünfjahrplanes. Diese stetige Aufwärtsentwicklung unserer Volkswirtschaft ermöglicht es jetzt, den alten oder arbeitsunfähigen Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik auch die Schulden aus Darlehen des ehem. Landes Thüringen und seiner Gebietskörperschaften zu erlassen.

Der Thüringer Landtag hat daher folgendes Gesetz beschlossen:

§ 1

(1) Der Erlaß von Schulden aus der Zeit vor dem 9. Mai 1945 erfolgt auf Antrag an Bürger der Deutschen Demokratischen Republik für

  1. männliche Personen, die das 65. Lebensjahr und weibliche Personen, die das 60. Lebensjahr am 31. Dezember 1950 vollendet hatten

    und

  2. voll arbeitsunfähige Personen, die am 14. September 1950 Vollrenten oder Sozialunterstützungen erhielten oder bis zu diesem Zeitpunkt Antrag auf Vollrente oder Sozialunterstützung gestellt haben und dem nach diesem Termin stattgegeben wurde,

in Höhe der Differenz zwischen Vermögenssteuerfreibetrag und dem vom Finanzamt festgestellten Reinvermögen, soweit sie ihren ständigen Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik oder im demokratischen Sektor von Groß-Berlin haben.

(2) Der Antrag kann nur bis zum 31. Dezember 1952 gestellt werden.

§ 2

Es werden folgende Schulden und rückständige Zinsen erlassen, soweit sie am Tage des Erlasses dieses Gesetzes noch bestanden haben:

Darlehen aus dem Vermögen

  1. des ehemaligen Landes Thüringen,
  2. der ehemaligen Provinzialverbände Sachsen und Hessen, soweit sie auf das jetzige Land Thüringen übergegangen sind,
  3. der früheren Kreise und Gemeinden im Gebiet des jetzigen Landes Thüringen.
§ 3

Die bis zum Erlaß dieses Gesetzes geleisteten Zahlungen sind rechtmäßig und nicht zurückzuzahlen.

§ 4

Verpflichtungen aus Bürgschaften fallen unter die Bestimmungen dieses Gesetzes und sind für den im § 1 genannten Personenkreis auf Antrag zu erlassen. Die Verpflichtungen des Hauptschuldners bleiben dadurch unberührt.

§ 5

Mit dem Erlaß der Schulden sind die zur Sicherung dieser Schulden gegebenen Sicherheiten freizugehen Das gilt jedoch nicht für Wertpapiere, die sich bei den geschlossenen Kreditinstituten befinden.

§ 6

(1) Ist vor Erlaß dieses Gesetzes der Übergang einer durch Grundpfandrecht gesicherten Schuld auf einen neuen Eigentümer kraft Gesetzes (z. B. Erbfall) eingetreten oder durch Vertrag (z. B. Schuldübernahme) vereinbart, so kann Antrag auf Schulderlaß nur durch den Erwerber gestellt werden, falls dieser zu dem Kreis der Antragsberechtigten gehört, und zwar auch dann, wenn im Grundbuch noch keine entsprechende Veränderung erfolgt ist.

(2) Ist nach Erlaß des Gesetzes eine Schuld auf einen neuen Eigentümer durch Vertrag oder kraft Gesetzes übergegangen, so kann Schulderlaß weder von dem bisherigen noch von dem neuen Eigentümer beantragt werden.

(3) Haftet der Grundstücksverkäufer noch persönlich, so kann er auf Antrag aus dieser Haftung entlassen werden, wenn auf ihn die Voraussetzungen des § 1 zutreffen. Die Entlassung wirkt als Genehmigung der Schuldübernahme gemäß § 416 BGB.

§ 7

(1) Über den Schulderlaß hat die das Darlehen verwaltende Stelle eine Bestätigung und erforderlichenfalls eine Löschungsbewilligung oder Berichtigungsbewilligung zu erteilen. Sie bedarf nicht der Form des § 29 der Grundbuchordnung.

(2) Die aus dem Schulderlaß sich ergebenden Grundbucheintragungen erfolgen gebühren- und auslagenfrei.

§ 8

Das zuständige Finanzamt hat auf Ersuchen zu bescheinigen:

  1. die für den Antragsteller in Frage kommende Vermögenssteuerfreigrenze in DM,
  2. die sich aus der Vermögensteuererklärung ergebende Höhe des Vermögens und der Schulden.
§ 9

Gläubiger von Forderungen, die unter dieses Gesetz fallen, haben sich aller Maßnahmen zu enthalten, die der Einziehung und Beitreibung ihrer Forderungen dienen.

§ 10

Erforderliche Durchführungsbestimmungen erläßt das Ministerium der Finanzen des Landes Thüringen.

§ 11

Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung im Landtag in Kraft.

Das Gesetz wurde in der Landtagssitzung vom 4. Juli 1952 verkündet.

Erfurt, den 4. Juli 1952

Der Präsident
des Thüringer Landtages
Frölich

In den übrigen Ländern der DDR wurden nahezu wortgleiche Gesetze oder Verordnungen erlassen.