Gesetz zur Übernahme des Gesetzes über die örtlichen Organe der Staatsmacht

Vom 28. Januar 1957 (VOBl. I S. 69; Ber. S 124)

Die Volksvertretung Groß-Berlin hat folgendes Gesetz beschlossen:

§ 1

Das Gesetz der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 (GBl. I S. 65) gilt für Groß-Berlin unter Berücksichtigung des Aufbaus und der Stellung der staatlichen Organe von Groß-Berlin.

§ 2

Dieses Gesetz tritt zusammen mit dem Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 in Kraft.

Berlin, den 28. Januar 1957

R e u t t e r
Tagungsvorsitzender
E b e r t
Oberbürgermeister


Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht

Vom 18. Januar 1957 (GBl. I S. 65; Ber. S. 120)

- Auszug -

In der Deutschen Demokratischen Republik entwickelt sich die volksdemokratische Ordnung, in der die Arbeiterklasse im Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft und anderen werktätigen Schichten die politische Macht ausübt und den Sozialismus aufbaut.

Die Arbeiter-und-Bauern-Macht der Deutschen Demokratischen Republik entstand im Kampf um die politische und ökonomische Befreiung des Volkes durch die Entmachtung der Monopolherren und Junker. Sie entstand auf der Grundlage der Einheit der Arbeiterklasse und ihres festen Bündnisses mit der werktätigen Bauernschaft sowie in enger Zusammenarbeit mit allen demokratischen und nationalen Kräften des Volkes. Sie bewährte und festigte sich im Kampf um die Überführung der wichtigsten Produktionsmittel in die Hand des Volkes, um die Durchfürung der Bodenreform und um die Brechung des Bildungsmonopols der Besitzenden.

Der Weg wurde frei gemacht zu einer tiefgreifenden revolutionären Umgestaltung des gesamten gesellschaftlichen Lebens. Zum ersien Male in der Geschichte des deutschen Volkes konnten sich die Talente und Fähigkeiten der Volksmassen frei entfallen. Es vollzog sich ein gewaltiger Aufschwung der Bewußtheit, der lnitiative, der Aktivität und der Arbeitsdisziplin der Arbeiter, Bauern und aller Werktätigen. Sie lernten ihren Staat leiten und ihn zu einem wirksamen Instrument des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaus zu machen.

Die werktätigen Massen wurden zu den Herren des Landes und gestalteten die politische und ökonomische Entwicklung nach dem Willen und im Interesse der Mehrheit des Volkes. Darin drückt sich die sozialistische Demokratie aus, die der bürgerlichen Demokratie überlegen ist. Die sozialistische Demokratie ist der Ausdruck der Souveränität des Volkes. Sie ist auch die Grundlage der staatlichen Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik.

Der Aufbau des Sozialismus führt zu einer immer bewußteren und aktiveren Teilnahme der werktätigen Massen an der Lösung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben.

In der Deutschen Demokratischen Republik wird der Wille des Volkes durch die in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählten Volksvertretungen und deren Organe verwirklicht. Durch die Volksvertretungen nimmt die gesamte Bevölkerung an der Leitung des Staates teil. Die Volksvertretungen stützen sich in ihrer Arbeit auf die Nationale Front des demokratischen Deutschland, in der die demokratischen Parteien und Massenogansationen sowie alle demokratischen Krälte zusammenarbeiten.

Die Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik und die Organe des Staatsapparates bilden als beschließende und durchführende Organe das einheitliche System der Arbeiter-und-Bauern-Macht. Die Volksvertretungen sind in ihrem Zuständigkeitsbereich die obersten Organe der Staatsmacht und leiten den gesamten politischen. wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau. Deshalb gilt es, die Staatsmacht als das wichtigste Instrument beim Aufbau des Sozialismus weiter zu stärken.

Die Arbeiter-und-Bauern-Macht hat der Deutschen Demokratischen Republik den Weg in die Familie der Staaten des sozialistischen Lagers eröffnet. In der engen Zusammenarbeit mit allen befreiten Völkern des sozialistischen Lagers liegt eine der Quellen der unzerstörbaren Kraft unserer Arbeiter-und-Bauern-Macht.

Die Festigung und Entwicklung der Arbeiter-und-Bauern-Macht der Deutschen Demokratischen Republik ermöglicht dem deutschen Volke den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung, die für alle werktätigen Menschen Frieden und Freiheit, Wohlstand und Glück bedeutet.

Erster Teil
Grundsätze

§ 1

(1) Die örtlichen Volksvertretungen sind in ihrem Zuständigkeitsbereich - dem Bezirk, dem Stadtkreis, dem Landkreis. dem Stadtbezirk, der Stadt oder der Gemeinde - die obersten Organe der Staatsmacht.

(2) Die Volkskammer leitet die örtlichen Volksvertretungen an, übt die Aufsicht über ihre Tätigkeit aus, leistet ihnen Hilfe bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und trägt dazu bei, ihre Verantwortlichkeit zu erhöhen.

§ 2

Die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik sind
im Bezirk - der Bezirkstag,
im Stadtkreis - die Stadtverordnetenversammlung,
im Landkreis - der Kreistag,
im Stadtbezrk - die Stadtbezirksversammlung,
in der Stadt - die Stadtverordnetenversammlung,
in der Gemeinde - die Gemeindevertretung.

§ 3

Die örtlichen Volksvertretungen werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt. Die Durchführung der Wahlen regelt ein Gesetz.

§ 4

Die örtlichen Volksvertretungen wählen als ihre vollziehenden und verfügenden Organe die Rate, und zwar
der Bezirkstag - den Rat des Bezirkes,
die Stadtverordnetenversammlung des Stadtkreises - den Rat der Stadt,
der Kreistag - den Rat des Kreises,
die Stadtbezirksversammlung - den Rat des Stadtbezirkes,
die Stadtverordnetenversammlung - den Rat der Stadt,
die Gemeindevertretung - den Rat der Gemeinde.

§ 5

(1) Der Aufbau der Organe der Staatsmacht in der Deutschen Demokratischen Republik beruht auf dem Prinzip des demokratischen Zentralismus.

(2) Die Gesetze und Verordnungen sowie die Beschlüsse der Volkskammer, des Ministerrats und der höheren Volksvertretungen sind für die unteren Volksvertretungen und ihre Organe verbindlich.

(3) Beschlüsse unterer Volksvertretungen, die gegen Gesetze oder Verordnungen oder gegen Beschlüsse der Volkskammer, des Ministerrats oder höherer örtlicher Volksvertretuneon verstoßen, sind von den höheren Volksvertretungtn aufzuheben soweit sie nicht von den unteren Volksvertretungen selbst aufgehoben werden.

(4) Beschlüsse der höheren örtlichen Räte sind für die unteren Rate verbindlich.

(5) Beschlüsse der unteren Räte, die gegen Gesetze, Verordnungen und andere tür sie verbindliche Bestimmuningen verstoßen, sind von den höheren Räten aufzuheben, soweit sie nicht von den unteren Räten selbst aufgehoben werden.

(6) Die höheren Räte haben das Recht, die Durchführung von Beschlüssen unterer Volksvertretungen, die gegen Gesetze oder Verordnungen oder gegen Beschlüsse der Volkskammer, des Ministerrates oder höherer örtlicher Volksvertretungen verstoßen, bis zur Entscheidung der Volksvertretungen nach Abs. 3 auszusetzen. Diese Entscheidung ist in der nächsten Tagung der Volksvertretung herbezuführen.

(7) Die örtlichen Volksvertretungen haben das Recht, gegen Beschlüsse höherer örtlicher Räte Einspruch einzulegen. Der Einspruch kann bei der Volksvertretung, deren Rat den Beschluß gefaßt hat, oder bei dem diesem übergeordneten Rat eingelegt werden. Über den Einspruch, der keine aufschiebende Wirkung hat, ist unverzüglich zu entscheiden.

Zweiter Teil
Die örtlichen Volksvertretungen

Abschnitt I
Aufgaben und Rechte der örtlichen Volksvertretungen

§ 8

(1) Die örtlichen Volksvertretungen leiten im Rahmen ihrer Aufgaben und Rechte auf der Grundlage der Verfassung und der Gesetze sowie der Beschlüsse der Volkskammer, des Ministerrats und der höheren örtlichen Volksvertretungen den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau des Sozialismus in ihrem Zuständigkeitsbereich.

(2) Zu ihren Aufgaben gehören insbesondere:
a) die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der Schutz des gesellschaftlichen Eigentums und die Stärkung der Bereitschaft zur Verteidigung der Heimat;
b) die Einhaltung und Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit und die Gewährleistung der Rechte der Bürger;
c) den Volkswirtschaftsplan und den Haushaltsplan für ihren Zuständigkeitsbereich auf der Grundlage des Volkswirtschaftsplanes und des Staatshaushaltsplanes sowie der entsprechenden Pläne der höheren Volksvertretungen zu beschließen, die Durchführung der Pläne zu gewährleisten, Berichte über die Erfüflung dieser Pläne entgegenzunehmen und dem Rat für die Haushaltsführung Entlastung zu erteilen;

(3) Die höheren örtlichen Volksvertretungen leiten die unteren Volksvertretungen an, leisten ihnen Hilfe bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und tragen dazu bei, Ihre Verantwortlichkeit zu erhöhen.

§ 7

Den örtlichen Volksvertretungen obliegt es,
a) den Rat zu wählen und abzuberufen sowie die Arbeit des Rates zu leiten und zu kontrollieren. Sie bestimmen aus der Mitte des Rates den Vorsitzenden und entsprechend den Richtlinien des Ministerrats über die Zusammensetzung der Räte die (den) Stellvertreter des Vorsitzenden und den Sekretär des Rates;
b) den Vorsitzenden und die Mitglieder der ständigen und zeitweiligen Kommissionen aus der Mitte der Abgeordneten (in kleinen Gemeinden auch aus dem Kreis der übrigen Bürger) zu wählen und abzuberufen, ihnen Aufträge zu erteilen und ihre Tätigkeit zu kontrollieren;
c) die vom Rat ausgesprochenen Berufungen und Abberufungen der Leiter der Fachorgane zu bestätigen;
d) Beschlüsse zu fassen, die für die ihnen unterstellten Organe, Betriebe und Einrichtungen sowie für die Bürger in ihrem Zuständigkeitsbereich verbindlich sind.

Abschnitt II
Arbeitsweise und Arbeitsorganisation der örtlichen Volksvertretungen

§ 9

Die örtlichen Volksvertretungen erfüllen Ihre Aufgaben und verwirklichen ihre Rechte durch ihre Tagungen, durch die Tätigkeit ihrer ständigen und zeitweiligen Kommissionen, durch die Arbeit ihrer Abgeordneten und durch die Tätigkeit ihrer vollziehenden und verfügenden Organe.

§ 10

(1) Die örtlichen Volksvertretungen sind verpflichtet, regelmäßig zu Tagungen zusammenzutreten. Die Bezirkstage haben mindestens vierteljährlich und alle übrigen örtlichen Volksvertretungen mindestens alle zwei Monate zu tagen.

(2) Die Tagungen der örtlichen Volksvertretungen sind durch den Rat einzuberufen. Die Einberufung muß auch erfolgen, wenn es ein Drittel der Abgeordneten verlangt.

§ 11

(2) Vorlagen für die Tagungen der Volksvertretungen können vom Rat, von den ständigen und zeitweiligen Kommissionen, von den Abgeordnetengruppen der Wahlkreise und von den Abgeordneten eingebracht werden.

§ 12

(1) Für jede Tagung der Volksvertretungen ist eine für die Dauer der Tagung tätige Tagungsleitung zu wählen. Sie besteht in der Regel aus drei Abgeordneten, von denen einer den Vorsitz fülrrt.

(2) Die Tagungsleitung bestimmt die Protokollführung der Tagung.

§ 13

(1) Die Tagungen der Volksvertretungen sind öffentlich. Bürgern, die an der Tagung teilnehmen, kann das Wort zur Tagesordnung erteilt werden. Die Volksvertretungen können im Einzelfall den Ausschluß der Öffentlichkeit beschließen.

(2) Abgeordnete der Volkskammer und der höheren örtlichen Volksvertretungen sowie Mitglieder der Räte der höheren örtlichen Volksvertretungen können mit dem Recht der Beratung an den Tagungen teilnehmen.

(3) Die Mitglieder des Rates und die Leiter der Fachorgane sind verpflichtet, an den Tagungen der Volksvertretungen teilzunehmen. Die Leiter der den betreffenden örtlichen Organen unterstellten Betriebe und Einrichtungen sind verpflichtet, auf Einladung an den Tagungen teilzunehmen. Sie haben auf Anfragen der Abgeordneten im Rahmen ihres Aufgabengebietes Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen der Volksvertretungen Rechenschaft zu legen.

§ 14

(1) Die Volksvertretungen sind beschlußfähig, wenn in der Tagung mehr als die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist.

(2) Bei Beschlußunfähigkeit ist frühestens am nächsten Tage, spätestens innerhalb von sieben Tagen eine neue Tagung einzuberufen, die in jedem Falle als beschlußfähig gilt.

§ 15

(1) Die Volksvertretungen fassen ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit kann die Beschlußvorlage noch ein zweites Mal zur Beratung vorgelegt werden.

(2) Die Beschlüsse sind am Ende der Tagung vom Vorsitzenden der Tagungsleitung und vom Vorsitzenden des Rates auszufertigen. In der Regel sind sie in Ortsüblicher Weise zu veröffentlichen.

(3) Die Beschlüsse treten mit dem Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft, soweit die Volksvertretungen nichts anderes bestimmen.

§ 16

Die örtlichen Volksvertretungen geben sich eine Geschäftsordnung.

Abschnitt III
Die ständigen und die zeitweiligen Kommissionen der örtlichen Volksvertretungen

§ 17

(1) Die Volksvertretungen haben entsprechend den örtlichen Verhältnissen für die einzelnen Gebiete des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaus ständige Kommissionen zu wählen.

(2) Die ständigen Kommissionen sind Organe der Volksvertretungen und die wichtigste Organisationsform der Tätigkeit der Abgeordneten zwischen den Tagungen.

(3) Die ständigen Kommissionen werden von den Volksvertretungen geleitet und sind ihnen verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

(4) Die ständigen Kommissionen wirken mit bei der Vorbereitung der Beschlüsse der Volksvertretungen und unterbreiten den Volksvertretungen ihre Vorschläge. Sie kontrollieren die Durchführung der Gesetze, Verordnungen, Beschlüsse und anderen staatlichen Anordnungen durch den Rat und die Fachorgane.

§ 19

(1) Der Rat, seine Fachorgane und die Betriebe und Einrichtungen sind verpflichtet, die ständigen Kommissionen bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen und ihre Vorschläge und Hinweise zu beachten.

(2) Der Rat ist insbesondere verpflichtet, Vorschläge der ständigen Kommissionen, die einer Entscheidung des Rates bedürfen, innerhalb von 30 Tagen nach ihrem Eingang zu beraten. Wenn sich der Rat den Vorschlägen der ständigen Kommission nicht anschließt, hat er dies zu begründen.

(3) Die Mitglieder der ständigen Kommissionen haben das Recht, an denjenigen Sitzungen des Rates teilzunehmen, in denen Vorschläge dieser ständigen Kommissionen beraten werden.

§ 20

(1) Die örtlichen Volksvertretungen können zur Durchführung bestimmter Aufgaben zeitweilige Kommissionen wählen.

(2) Für die Bildung und Tätigkeit der zeitweiligen Kommissionen gelten die Bestinunungen der §§ 17 bis 19 entsprechend.

Abschnitt IV
Rechte und Pflichten der Abgeordneten

§ 21

Die Abgeordneten haben das Recht,
a) im Auftrage ihrer Volksvertretung oder einer ständigen oder zeitweiligen Kommission die Durchführung staatlicher Anordnungen zu kontrollieren;
b) der Volksvertretung und dem Rat die Beratung bestimmter Fragen vorzuschlagen;
e) mit beratender Stimme an denjenigen Sitzungen des Rates teilzunehmen, die von ihnen dem Rat vorgelegte Fragen behandeln;
f) an Tagungen unterer Volksvertretungen mit beratender Stimme teilzunehmen.

§ 22

Die Abgeordneten haben die Pflicht,
b) in der ständigen Kommission mitzuarbeiten, in die sie gewählt worden sind;
d) eine enge und ständige Verbindung mit der Bevölkerung zu halten, ihr die staatliche Politik und insbesondere die Gesetze zu erläutern sowie sie zur aktiven Mitarbeit bei der Durchfühung der staatlichen Aufgaben zu gewinnen;
e) Wähleraufträge und Empfehlungen der Wähler schnell und sorgfältig zu bearbeiten;
f) regelmäßig öffentliche Sprechstunden abzuhalten;
g) mindestens einmal jährlich der Bevölkerung Rechenschaft über die Tätigkeit der Volksvertretung und über ihre eigene Arbeit als Abgeordnete zu legen und laufend über den Stand der Erfüllung der Wähleraufträge und der an sie herangetragenen Wünsche, Vorschläge und Beschwerden der Bürger zu berichten;
h) ihre Tätigkeit in enger Zusammenarbeit mit den gesellschafilichen Organisationen und den Ausschüssen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland durchzuführen.

§ 23

(2) Die Abgeordneten der örtlichen Volksvertretungen dürfen nicht wegen Ihrer Abstimmung oder wegen der in Ausübung ihrer Abgeordnetentätigkeit getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder zur Verantwortung gezogen werden. Dtes gilt nicht für Verleumdungen im Sinne des 5trafgesetzbuches.

§ 24

(1) Die Abgeordneten bedürfen zur Ausübung ihrer Tätigkeit keines Urlaubs.

(2) Den Abgeordneten dürfen aus Ihrer Abgeordnetentätigkelt keine beruflichen und materielien Nachteile erwachsen.

(3) Die Abgeordneten sind berechtigt, öffentliche Verkehrsmittel in dem Zuständigkeitsbereich ihrer Volksvertretung (in Großstädten im Stadtgebiet) unentgeltlich zu benutzen.

§ 25

(1) Das Mandat eines Abgeordneten erlischt
a) bei Beendigung der Tätigkeit der Volksvertretung;
b) durch Tod des Abgeordneten;
c) durch Verlust der Wählbarkeit,

(2) Die Volksvertretung stellt in den Fällen des Abs. 1 b) und c) die Tatsache des Erlöschens des Mandats eines Abgeordneten fest,

§ 26

(1) Die Wähler sind berechtigt, in ordnungsgemäß einberufenen Wählerversammlungen die Abberufung eines Abgeordneten zu verlangen, der das in ihn gesetzte Vertrauen der Wähler nicht rechtfertigt oder seine Pflichten als Abgeordneter nicht erfüllt.

(2) Das Verfahren der Abberufung wird besonders geregelt.

§ 27

(1) Abgeordnete können aus wichtigen Gründen ihr Mandat niederlegen.

(2) über die Anerkennung der Niederlegung des Mandats entscheidet die Volksvertretung

Dritter Teil
Die örtlichen Räte

Abschnitt 1
Rechtliche Stellung und Bildung der örtlichen Räte

§ 28

(1) Die Räte sind die vollziehenden und verfügenden Organe der Volksvertretungen. Sie sind der Volksvertretung für ihre gesamte Tätigkeit verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Sie sind dem Ministerrat und den höheren Räten unterstellt und rechenschaftspflichtig.

(2) Die Räte sind Kollegialorgane.

(3) Der Vorsitzende und die Mitglieder der Räte tragen gegenüber der Volksvertretung die persönliche Verantwortung für die Arbeit des Rates.

(4) Der Vorsitzende und die Mitglieder der Räte tragen gegenüber dem Rat die persönilche Verantwortung für die ihnen übertragenen Aufgabengebiete.

§ 29

(1) Die Räte werden von der Volksvertretung gewählt.

(2) Dem Rat gehören an: der Vorsitzende des Rates, die (der) Stellvertreter des Vorsitzenden, die weiteren Mitglieder des Rates und der Sekretär.

(3) In den Stadtkreisen trägt der Vorsitzende des Rates die Bezeichnung Oberbürgermeister, in den Stadtbezirken Bezirksbürgermeister, in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden Bürgermeister. Die Stellvertreter des Vorsitzenden und die weiteren Mitglieder des Rates in den Städten, Stadtbezirken und Gemeinden tragen die Bezeichnung Stadtrat beziehungsweise Gemeinderat.

(4) Die Mitglieder der Räte sollen Ahgeordnete sein.

(5) Die Zusammensetzung der Räte wird durch Richtlinien des Ministerrats geregelt.

§ 30

(1) Die Räte bedürfen zur Ausübung ihrer Tätigkeit des Vertrauens der Volksvertretung. Der Rat oder einzelne Mitglieder des Rates können von der Volksvertretung abberufen werden.

(2) Ein Mitglied des Rates, dessen Abgeordnetenmandat nach §§ 25 bis 27 endet, scheidet aus dem Rat aus.

(3) Im Falle der Abberufung des Rates oder des Ausscheidens einzelner Mitglieder führt die Volksvertretung eine Neu- beziehungsweise Nachwahl durch.

§ 31

(1) Nach Beendigung der Tätigkeit der Volksvertretung führt der Rat seine Tätigkeit bis zur Wahl des neuen Rates weiter.

(2) Der Rat hat die neugewählte Volksvertretung innerhalb von zwei Wochen nach der Neuwahl einzuberufen.

Abschnitt II
Aufgaben und Rechte der örtlichen Räte

§ 32

(1) Die Räte haben auf der Grundlage und in Durchführung der Beschlüsse der Volksvertretung sowie der Gesetze, Verordnungen und anderer für sie verbindlicher Bestimmungen die Durchführung der der Volksvertretung gemäß § 6 obliegenden Aufgaben zu organisieren.

(2) Dazu haben die Räte insbesondere
a) in Zusammenarbeit mit den ständigen Kommissionen die Tagungen der Volksvertretung vorzubereiten;
d) unter Beachtung der Verantwortlichkeit der unteren Räte diese bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen;
e) den Entwurf des Volkswirtschaftsplanes und des Haushaltsplanes auszuarbeiten und der Volksvertretung zur Beschlußfassung vorzulegen.

§ 33

(1) Die Räte haben hei der Durchführung ihrer Aufgaben eng mit der Bevölkerung zusammenzuarbeiten. Sie sind verpflichtet, die Erfahrungen, Anregungen und Kritiken der Bevölkerung zu beachten und für die Verbesserung ihrer Arbeit auszuwerten.

(4) Die Räte sind verpflichtet, über die Durchführung ihrer Aufgaben vor der Bevölkerung zu berichten.

§ 34

(1) Die Räte haben das Recht,
a) Mitgliedern des Rates die Leitung bestimmter Aufgabengebiete des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaus zu übertragen;
c) die Leiter der Fachorgane zu berufen und abzu- berufen;
d) von den unteren Räten über die Durchführung ihrer Aufgaben Bericht zu verlangen;
f) Beschlüsse zu fassen, die für ihre Fachorgane, die ihnen unterstellten Betriebe und Einrichtungen, für die unteren Räte sowie für die Bürger in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich verbindlich sind.

Abschnitt III
Arbeitsweise und Arbeitsorganisation der örtlichen Räte

§ 35

Die örtlichen Räte erfüllen ihre Aufgaben und verwirklichen ihre Rechte durch Beratung und Entscheinung, durch die Tätigkeit ihrer Mitglieder und durch ihre Fachorgane.

§ 36

(1) Die Räte treten in der Regel zweimal im Monat zu Sitzungen zusammen.

(2) Die Sitzungen sind vom Vorsitzenden des Rates einzuberufen und werden von ihm geleitet,

§ 37

(1) Bürger können auf Einladung an den Sitzungen der Räte teilnehmen, ihnen kann das Wort erteilt werden.

(2) Mitglieder des Ministerrats und der höheren örtlichen Räte können mit dem Recht der Beratung an den Sitzungen der unteren Räte teilnehmen.

§ 38

(1) Die Räte sind beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.

(2) Bei Beschlußunfähigkeit ist innerhalb von drei Tagen eine neue Sitzung einzuberufen, die in jedem Falle als beschlußfähig gilt.

(3) Die Räte fassen ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmennmehrheit. Bei Stimmengleichheit kann die Beschlußvorlage noch ein zweites Mai zur Beratung vorgelegt werden.

§ 39

(1) Die Vorsitzenden der Räte leiten die Arbeit des Rates.

(2) Die Vorsitzenden der Räte leiten das ihnen vom Rat übertragene Aufgabengebiet. Sie sind für die Kaderpolitik des Rates verantwortlich und Disziplinarvorgesetzte des vom Ministerrat festgelegten Personenkreises.

(3) Die Vorsitzenden der Räte sind gegenüber den Leitern der Fachorgane sowie gegenüber den Leitern unterstellter Betriebe und Einrichtungen weisungsberechtigt.

(4) Die Vorsitzenden der Räte haben das Recht, zur Durchführung der ihnen durch Gesetze, Verordnungen oder Beschlüsse höherer staatlicher Organe übertragenen Aufgaben den Vorsitzenden der unteren Räte Weisungen zu erteilen.

(5) Die Vorsitzenden der Räte haben das Recht, zwischen zwei Sitzungen des Rates an dessen Stelle Entscheidungen zu treffen, sofern es slch um Angelegenheiten handelt, die keinen Aufschub dulden, und die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des Rates eine nicht vertretbare Verzögerung bedeuten würde. Dem Rat sind in der nächsten Sitzung diese Entscheidungen zur Bestätigung vorzulegen.

(6) Die Vorsitzenden der Räte haben im Falle ihrer Verhinderung einen Stellvertreter des Vorsitzenden mit ihrer Vertretung zu beauftragen. Dauert die Verhinderung länger als drei Monate, so hat die Volksvertretung den ständigen Stellvertreter zu bestimmen.

§ 41

(1) Die Sekretäre der Räte leiten das ihnen vom Rat übertragene Aufgabengebiet.

(2) Die Sekretäre der Räte organisieren insbesondere die Unterstützung der Volksvertretung, der ständigen und zeitweiligen Kommissionen und der Abgeordneten durch alle Mitglieder des Rates und durch die Fachorgane.

§ 43

Die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung der Sitzungen der Räte und die Tätigkeit der Mitglider der Räte sind im einzelnen durch Arbeitsordnungen der Räte zu regeln.

Abschnitt IV
Die Fachorgane der örtlichen Räte

§ 44

(1) Die Fachorgane der Räte unterstehen dem Rat.

(2) In der Regel sind sie doppelt unterstellt, indem sie außer dem Rat in solchen Fragen, die eine einheitliche zentrale Regelung zwingend erfordern, dem zuständigen Fachorgan des höheren Rates beziehungweise dem fachlich zuständigen zentralen staatlichen Organ unterstehen.

§ 45

Die Fachorgane der Räte haben in ihrer Tätigkeit eng mit der Bevölkerung zusammenzuarbeiten.

§ 46

(1) Die Fachorgane der Räte werden individuell geleitet, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind.

(2) Die Leiter der Fachorgane sind vom Rat zu berufen und bedürfen der Bestätigung durch die Volksvertretung. Sie können vom Rat abberufen werden. Die Abberufung ist vor der Volksvertretung zu begründen und bedarf ihrer Bestätigung.

(3) Die Leiter der Fachorgane sind für deren Arbeit dem Rat verantwortlich. Sie sind im Rahmen des § 44 Abt. 2 dem Leiter des zuständigen Fachorgans des höheren Rates beziehungsweise dem Leiter des fachlich zuständigen zentralen staatlichen Organs rechenschaftspflichtig.

§ 47

(1) Die Anordnungen der Mitglieder des Ministerrats sind in ihrem Fachbereich für die Fachorgane der örlichen Räte verbindlich.

(2) Die Leiter der Fachorgane der Räte sind berechtigt, den Leitern der unterstellten Fachorgane Weisungen zu erteilen.

(4) Die Räte haben das Recht, gegen Weisungen übergeordneter Fachorgane Einspruch zu erheben. Der Einspruch ist bei dem Rat einzulegen, dessen Fachorgan die Weisung erlassen hat. Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung.

(5) Die Leiter der Fachorgane der Räte sind verpflichtet, bei Beschlüssen der unteren Räte, die gegen Gesetze, Verordnungen und andere für diese verbindliche Bestimmungen verstoßen, bei ihrem Rat die Aufhebung der Beschlüsse zu beantragen.

Vierter Teil
Schlußbestlmmungen

§ 48

Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen erlassen der "Ständige Ausschuß für die örtlichen Volksvertretungen" beziehungsweise der Ministerrat.

§ 49

(2) Alle anderen diesem Gesetz entgegenstehenden Bestimmungen sind abzuändern oder aufzuheben.

§ 50

Dieses Gesetz tritt am 25. Januar 1957 in Kraft.


Das vorstehende vom Präsidenten der Volkskammer im Namen des Präsidiums der Volkskammer unter dem dreiundzwanzigsten Januar neunzehnhundertsiebenundfünfzig ausgefertigte Gesetz wird hiermit verkündet.

Berlin, den sechsundzwanzigsten Januar neunzehnhundertsiebenundfünfzig

Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik

W. P i e c k