Verfassung von Berlin

Gemäß Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 22. April 1948 (Drucksache Nr. 111/797)

Vorspruch

In dem Willen,

Freiheit und Recht jedes einzelnen zu schützen,
Gemeinschaft und Wirtschaft demokratisch zu ordnen,
dem Geiste des sozialen Fortschritts und des Friedens zu dienen,

und in dem Wunsche,

die Hauptstadt eines neuen geeinten Deutschlands zu bleiben,

hat sich Berlin diese Verfassung gegeben.

Abschnitt 1
Die Grundlagen

Artikel 1

(1) Berlin ist ein deutsches Land und zugleich eine Stadt.

(2) Berlin ist ein Glied der deutschen Republik.

(3) Verfassung und Gesetze der deutschen Republik sind für Berlin bindend.

Artikel 2

(1) Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben.

(2) Sie üben nach dieser Verfassung ihren Willen unmittelbar durch Wahl zu der Volksvertretung und durch Volksentscheid, mittelbar durch die Volksvertretung aus.

Artikel 3

(1) Die gesetzgebende Gewalt steht allein der Volksvertretung und durch den Volksentscheid dem Volke zu. Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen. der Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung, die richterliche Gewalt in den Händen unabhängiger Gerichte.

(2) Volksvertretung, Regierung und Verwaltung nehmen die Aufgaben Berlins als Gemeinde, Gemeindeverband und Land wahr.

Artikel 4

(1) Berlin umfaßt das Gebiet der bisherigen Gebietskörperschaft Groß-Berlin mit den Grenzen, die bei Inkrafttreten der Verfassung bestehen. Jede Änderung seines Gebietes bedarf der Zustimmung der Volksvertretung.

(2) Berlin ist in 20 Bezirke eingeteilt. Eine Änderung der Bezirksgenzen und eine Verminderung oder Vermehrung der Bezirke kann nur durch Gesetz vorgenommen werden. Für Grenzänderungen von geringer Bedeutung, denen die beteiligten Bezirke zustimmen, kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.

Artikel 5

Berlin führt Flagge, Wappen und Siegel mit dem Bären, die Flagge mit den Farben Weiß-Rot.

Abschnitt II
Die Grundrechte

Artikel 6

(1) Alle Männer und Frauen sind vor dem Gesetz gleich. Sie haben das Recht auf gleiche wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten.

(2) Die Frau ist auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens dem Manne gleichgestellt.

Artikel 7

Niemand darf an der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Ehrenämter gehindert werden, insbesondere nicht durch sein Arbeitsverhältnis.

Artikel 8

(1) Jedermann hat das Recht, innerhalb der Gesetze seine Meinung frei und öffentlich zu äußern, solange er die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit nicht bedroht oder verletzt.

(2) Jedermann hat das Recht, sich über die Meinung anderer, insbesondere auch anderer Völker, durch die Presse oder Nachrichtenmittel aller Art zu unterrichten.

(3) Eine Zensur ist nicht statthaft.

Artikel 9

(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet wurde. Die nächsten Angehörigen haben das Recht auf Auskunft über die Freiheitsentziehung. Auf Verlangen des Verhafteten oder Festgenommenen ist auch anderen Personen unverzüglich von der Verhaftung oder Festnahme Kenntnis zu geben.

(3) Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen.

Artikel 10

Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

Artikel 11

Das Recht der Freizügigkeit, insbesondere die freie Wahl des Wohnsitzes, des Berufes und des Arbeitsplatzes, ist gewährleistet, findet aber seine Grenze in der Verpflichtung, bei Überwindung öffentlicher Notstände mitzuhelfen.

Artikel 12

(1) Jedermann hat das Recht auf Arbeit. Dieses Recht ist durch eine Politik der Vollbeschäftigung und Wirtschaftslenkung zu verwirklichen. Wenn Arbeit nicht nachgewiesen werden kann, besteht Anspruch auf Unterhalt aus öffentlichen Mitteln.

(2) Frauen, Jugendliche und Körperbehinderte haben Anspruch auf besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis.

Artikel 13

Der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern steht jedem ohne Unterschied der Herkunft, des Geschlechts, der Partei und des religiösen Bekenntnisses offen, wenn er die nötige Eignung besitzt.

Artikel 14

Wer durch Krankheit, Alter oder aus anderen Ursachen in Not gerät, hat Anspruch auf Lebensunterhalt aus öffentlichen Mitteln, sofern ein ausreichender Schutz durch die Sozialversicherung nicht gegeben ist.

Artikel 15

(1) Das Eigentum wird gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.

(2) Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden.

Artikel 16

Jeder Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist widerrechtlich. Insbesondere stellen alle auf Produktions- und Marktbeherrschung gerichteten privaten Monopolorganisationen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht dar und sind verboten.

Artikel 17

Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten in Wirtschaft und Verwaltung ist durch Gesetz zu gewährleisten.

Artikel 18

(1) Alle Männer und Frauen haben das Recht, sich zu gesetzlich zulässigen Zwecken friedlich und unbewaffnet zu versammeln, sowie Vereinigungen und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen dürfen keine Zwecke verfolgen oder Maßnahmen treffen, durch welche die Erfüllung von Aufgaben verfassungsmäßiger Organe und öffentlich-rechtlicher Verwaltungskörper gefährdet wird.

(3) Das Streikrecht ist gewährleistet.

Artikel 19

(1) Jedermann hat das Recht auf Wohnraum.

(2) Der Wohnraum ist unverletzlich. Eine Durchsuchung darf nur auf richterliche Anordnung erfolgen oder bei Verfolgung auf frischer Tat durch die Polizei, deren Maßnahmen jedoch binnen 48 Stunden der richterlichen Genehmigung bedürfen.

Artikel 20

(1) Die ungestörte Religionsausübung ist gewährleistet.

(2) Rassenhetze und Bekundung nationalen oder religiösen Hasses widersprechen dem Geist der Verfassung und sind unter Strafe zu stellen.

Artikel 21

(1) Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, widersprechen dem Geist der Verfassung und sind unter Strafe zu stellen.

(2) Jedermann hat das Recht, Kriegsdienste zu verweigern, ohne daß ihm Nachteile entstehen dürfen.

Artikel 22

(1) Der Sonntag und die gesetzlichen Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe geschützt.

(2) Der 1. Mai ist gesetzlicher Feiertag.

Artikel 23

(1) Die durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte sind für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung verbindlich.

(2) Einschränkungen der Grundrechte sind durch Gesetz nur insoweit zulässig, als sie nicht den Grundgedanken dieser Rechte verletzen.

(3) Werden die in der Verfassung festgelegten Grundrechte offensichtlich verletzt, ist jedermann zum Widerstand berechtigt.

Artikel 24

Auf die Artikel 8 und 18 darf sich nicht berufen, wer mißbräuchlich die Grundrechte angreift oder gefährdet, insbesondere wer nationalsozialistische oder andere totalitäre oder kriegerische Ziele verfolgt.

Abschnitt III
Die Volksvertretung

Artikel 25

(1) Das Abgeordnetenhaus ist die von den wahlberechtigten deutschen Staatsangehörigen gewählte Volksvertretung.

(2) Das Abgeordnetenhaus besteht aus 200 Abgeordneten.

Artikel 26

(1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl auf die Dauer von vier Jahren gewählt.

(2) Wahlvorschläge können nur von politischen Parteien eingereicht werden. Auf Wahlvorschläge, für die im Gebiet von Berlin insgesamt weniger als fünf vom Hundert der Stimmen abgegeben werden, entfallen keine Sitze.

(3) Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsangehörigen, die am Tage der Wahl das 20. Lebensjahr vollendet und seit mindestens sechs Monaten in Berlin ihren Wohnsitz haben.

(4) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Tage der Wahl das 25. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Alles Nähere wird durch das Wahlgesetz geregelt.

Artikel 27

Die staatsrechtlichen Aufgaben der Parteien und ihre Pflichten gegenüber der Öffentlichkeit werden durch ein Gesetz über das Parteiwesen bestimmt.

Artikel 28

(1) Das Abgeordnetenhaus tritt spätestens zwei Wochen nach Feststellung und Veröffentlichung des Wahlergebnisses unter dem Vorsitz des ältesten Abgeordneten zusammen.

(2) Das Abgeordnetenhaus wählt für die Dauer der Wahlperiode aus seiner Mitte den Präsidenten des Abgeordnetenhauses und die übrigen Mitglieder des Präsidiums.

Artikel 29

Das Abgeordnetenhaus gibt sich selbst eine Geschäftsordnung.

Artikel 30

(1) Das Abgeordnetenhaus tagt mindestens einmal monatlich.

(2) Die Einberufung erfolgt durch den Präsidenten. Er hat das Recht, das Abgeordnetenhaus jederzeit einzuberufen; er ist zur unverzüglichen Einberufung verpflichtet, wenn ein Fünftels der Abgeordneten oder der Senats es fordern.

(3) Die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses sind öffentlich.

(4) Wenn ein Fünftel der Abgeordneten oder der Senat es beantragen, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag ist in geheimer Sitzung zu beraten und abzustimmen.

Artikel 31

(1) Das Abgeordnetenhaus ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist.

(2) Das Abgeordnetenhaus beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit, falls die Verfassung nicht ein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt. Stimmengleichheit bedeutet Ablehnung.

Artikel 32

(1) Das Abgeordnetenhaus wählt nach Bedarf Ausschüsse aus seiner Mitte.

(2) In den Ausschüssen müssen die Parteien nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vertreten sein.

(3) Für die Ausschüsse gilt sinngemäß die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses.

Artikel 33

(1) Das Abgeordnetenhaus kann aus seiner Mitte Untersuchungsausschüsse einsetzen.

(2) Alle natürlichen und juristischen Personen, sowie Verwaltungsbehörden und Gerichte sind verpflichtet, der Aufforderung der Untersuchungsausschüsse zum Zwecke der Beweiserhebung Folge zu leisten.

Artikel 34

(1) Das Abgeordnetenhaus und seine Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglieder des Senats fordern.

(2) Der Senat ist zu den Sitzungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse einzuladen.

(3) Der Regierende Bürgermeister oder sein Vertreter können vor Eintritt in die Tagesordnung unabhängig von den Gegenständen der Beratung das Wort ergreifen. Den Mitgliedern des Senats ist auf Verlangen jederzeit zu den Punkten der Tagesordnung das Wort zu erteilen.

(4) Die Mitglieder des Senats unterstehen in den Sitzungen der Ordnungsgewalt des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des Vorsitzenden des Ausschusses.

Artikel 35

(1) Kein Abgeordneter darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen Äußerungen in Ausübung seines Mandats gerichtlich oder dienstlich oder sonst außerhalb des Abgeordnetenhauses zur Verantwortung gezogen werden.

(2) Jeder Abgeordnete hat das Recht, Angaben über Personen, die ihm in seiner Eigenschaft als Abgeordneter Mitteilung gemacht haben, und die Herausgabe von Schriftstücken zu verweigern, die ihm in seiner Eigenschaft als Abgeordneter übergeben wurden.

(3) Kein Abgeordneter darf ohne Genehmigung des Abgeordnetenhauses zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Ausübung der Tat festgenommen wird.

(4) Jede Haft oder sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten ist auf Verlangen des Abgeordnetenhauses aufzuheben.

Artikel 36

Niemand darf wegen wahrheitsgetreuer Berichte über die öffentlichen Verhandlungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse zur Verantwortung gezogen werden.

Artikel 37

Der Präsident des Abgeordnetenhauses vertritt das Abgeordnetenhaus in allen Angelegenheiten; er übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Abgeordnetenhaus aus.

Artikel 38

Die Abgeordneten erhalten eine Aufwandsentschädigung und das Recht der freien Fahrt auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln, die sich im Besitz von Berlin befinden.

Artikel 39

(1) Das Abgeordnetenhaus kann durch eigenen Beschluß oder durch Volksentscheid vor Ablauf der Wahlperiode aufgelöst werden. Der Beschluß des Abgeordnetenhauses bedarf der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln seiner Mitglieder. Der Volksentscheid wird nur wirksam, wenn mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten sich daran beteiligt.

(2) Die Neuwahl des Abgeordnetenhauses muß spätestens acht Wochen nach der Beendigung der Wahlperiode oder der vorzeitigen Auflösung erfolgen.

(3) Bis zum Zusammentritt des neu gewählten Abgeordnetenhauses nimmt ein Ausschuß des Abgeordnetenhauses die Rechte der Volksvertretung wahr.

(4) Der Präsident des Abgeordnetenhauses führt seine Geschäfte bis zum Zusammentritt des neu gewählten Abgeordnetenhauses.

(5) Der Präsident des Abgeordnetenhauses und die Mitglieder des Ausschusses genießen während dieser Zeit die Rechte aus den Artikeln 35 - 38.

Abschnitt IV
Die Regierung

Artikel 40

(1) Die Regierung wird durch den Senat ausgeübt.

(2) Der Senat besteht aus dem Regierenden Bürgermeister, dem Bürgermeister als seinem Vertreter, sowie höchstens sechzehn Senatoren.

Artikel 41

(1) Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vom Abgeordnetenhaus gewählt.

(2) Die Wahl des Bürgermeisters und der Senatoren erfolgt auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters durch das Abgeordnetenhaus.

(3) Kommt auf Grund des Vorschlages des Regierenden Bürgermeisters innerhalb einer Frist von 21 Tagen ein Senat nicht zustande, so ist der Auftrag zur Senatsbildung erloschen und eine Neuwahl vorzunehmen.

(4) Die Mitglieder des Senats können jederzeit von ihrem Amt zurücktreten.

Artikel 42

(1) Der Senat bedarf des Vertrauens des Abgeordnetenhauses.

(2) Das Abgeordnetenhaus kann dem Senat und jedem seiner Mitglieder das Vertrauen entziehen. Die namentliche Abstimmung darf frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe des Mißtrauensantrages im Abgeordnetenhaus erfolgen.

(3) Der Beschluß über einen Mißtrauensantrag bedarf der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Bei Annahme eines Mißtrauensantrages haben die davon betroffenen Mitglieder des Senats sofort zurückzutreten. Jedes Mitglied des Senats ist verpflichtet, auf Verlangen die Geschäfte bis zum Amtsantritt des Nachfolgers weiterzuführen. Das Mißtrauensvotum verliert seine Wirksamkeit, wenn nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl erfolgt ist.

Artikel 43

(1) Der Regierende Bürgermeister vertritt Berlin nach außen. Er führt den Vorsitz im Senat und leitet seine Sitzungen. Bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag.

(2) Der Regierende Bürgermeister bestimmt im Einvernehmen mit dem Senat die Richtlinien der Regierungspolitik. Sie bedürfen der Billigung des Abgeordnetenhauses.

(3) Der Regierende Bürgermeister überwacht die Einhaltung der Richtlinien; er hat das Recht, über alle Amtsgeschäfte Auskunft zu verlangen.

(4) Die Zahl der Geschäftsbereiche des Senats sowie ihre Abgrenzung wird auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Der Senat gibt sich seine Geschäftsordnung.

(5) Jedes Mitglied des Senats leitet seinen Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung innerhalb der Richtlinien der Regierungspolitik. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Senat.

Artikel 44

(1) Dem Senat untersteht unmittelbar die Hauptverwaltung einschließlich Justizverwaltung und Polizei.

(2) Die Generalstaatsanwälte und der Polizeipräsident werden auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus gewählt und abberufen.

Abschnitt V
Die Gesetzgebung

Artikel 45

(1) Die für alle verbindlichen Gebote und Verbote müssen auf Gesetz beruhen.

(2) Die Gesetzesvorlagen werden von dem Senat oder aus der Mitte des Abgeordnetenhauses oder durch Volksbegehren eingebracht.

(3) Jedes Gesetz muß in mindestens zwei Lesungen im Abgeordnetenhaus beraten werden. Zwischen beiden Lesungen soll im allgemeinen eine Vorberatung in dem zuständigen Ausschuß erfolgen.

(4) Auf Verlangen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des Senats hat eine dritte Lesung stattzufinden.

Artikel 46

(1) Gesetze werden vom Abgeordnetenhaus mit einfacher Mehrheit beschlossen, soweit die Verfassung nichts anderes bestimmt.

(2) Gesetze sind vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses unverzüglich auszufertigen und sodann binnen zwei Wochen vom Regierenden Bürgermeister zu verkünden.

Artikel 47

(1) Der Senat erläßt die zur Durchführung eines Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen, soweit durch das Gesetz nichts anderes bestimmt wird. Sie sind dem Abgeordnetenhaus unverzüglich zur Kenntnisnahme vorzulegen und können durch Beschluß des Abgeordnetenhauses abgeändert oder aufgehoben werden.

(2) Der Senat erläßt die zur Ausführung eines Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften. Sie sind auf Verlangen dem Abgeordnetenhaus vorzulegen.

Artikel 48

(1) Das bisherige Reichsrecht darf vom Abgeordnetenhaus abgeändert werden, wenn es die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse unbedingt erfordern. Diese Voraussetzung unterliegt nicht der richterlichen Nachprüfung.

(2) Das bisher geltende preußische Recht kann nach den Bestimmungen dieser Verfassung abgeändert werden.

(3) Alle Rechte, die in den geltenden Gesetzen der früheren Reichsregierung, dem früheren preußischen Staatsministerium, ihren Mitgliedern oder sonstigen Stellen eingeräumt sind, gehen auf den Senat über, sofern das Abgeordnetenhaus nicht anders beschließt.

Artikel 49

(1) Ein Volksentscheid ist herbeizuführen, wenn ein Fünftel der Stimmberechtigten das Begehren nach Vorlegung eines Gesetzentwurfes stellt. Mit dem Volksbegehren muß ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf vorgelegt werden.

(2) Der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf ist von dem Senat unter Darlegung seines Standpunktes dem Abgeordnetenhaus zu unterbreiten.

(3) Der Volksentscheid unterbleibt, wenn das Abgeordnetenhaus den begehrten Gesetzentwurf unverändert annimmt.

(4) Ein Gesetz ist durch Volksentscheid angenommen, wenn sich entweder die Hälfte der Wahlberechtigten am Volksentscheid beteiligt und die Mehrheit der Beteiligten für das Gesetz stimmt oder bei geringerer Wahlbeteiligung ein Drittel der Wahlberechtigten sich für das Gesetz ausspricht.

(5) Haushaltsplan, Abgabengesetze sowie Lohn- und Gehaltsregelungen können nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein.

(6) Alles Nähere wird durch ein Gesetz geregelt.

Abschnitt VI
Die Verwaltung

Artikel 50

(1) Die Verwaltung ist im demokratischen und sozialen Geist nach der Verfassung und den Gesetzen zu fuhren.

(2) Die Bezirke sind an der Verwaltung nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung zu beteiligen.

Artikel 51

(1) Der Senat stellt Grundsätze und Richtlinien für die Verwaltung auf und nimmt unmittelbar die Angelegenheiten wahr, die wegen ihrer übergeordneten Bedeutung oder wegen ihrer Eigenart einer einheitlichen Durchführung bedürfen.

(2) Die Bezirke nehmen die sonstigen Angelegenheiten der Verwaltung wahr. Ihnen obliegt insoweit die örtliche Durchführung der Gesetze und Verordnungen nach den allgemeinen Anweisungen des Senats. Der Senat ist befugt, einzelne der Hauptverwaltung vorbehaltene Aufgaben den Bezirken zu übertragen.

(3) Die Zuständigkeitsbereiche zwischen der Hauptverwaltung und den Verwaltungen der Bezirke werden durch ein Gesetz über die Verwaltung geregelt.

(4) Der Senat übt die Aufsicht über die Verwaltungen der Bezirke aus. Er hat dafür zu sorgen, daß der geordnete Gang der Verwaltung gewahrt bleibt und keine gesetzwidrigen Verwaltungsmaßnahmen erfolgen.

Artikel 52

(1) Den Verwaltungen der Bezirke ist die Möglichkeit zu geben, zu den grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung Stellung zu nehmen.

(2) Zu diesem Zweck finden regelmäßig mindestens einmal monatlich gemeinsame Besprechungen des Regierenden Bürgermeisters und des Bürgermeisters mit den Bezirksbürgermeistern oder den stellvertretenden Bezirksbürgermeistern als Vertreter des Bezirksamts statt (Rat der Bürgermeister).

(3) Alles Nähere wird durch das Gesetz über die Verwaltung geregelt.

Artikel 53

In jedem Bezirk wird eine Bezirksverordnetenversammlung und von dieser ein Bezirksamt gewählt.

Artikel 54

(1) Die Bezirksverordnetenversammlung wird nach den gleichen Grundsätzen und zur gleichen Zeit wie das Abgeordnetenhaus von den Wahlberechtigten des Bezirks gewählt.

(2) Die Bezirksverordnetenversammlung besteht aus 45 Mitgliedern.

(3) Die Bezirksverordnetenversammlung tagt regelmäßig, mindestens aber jeden 2. Monat.

(4) Die Bezirksverordnetenversammlung gibt sich ihre Geschäftsordnung. Die Artikel 28, 30 Abs. 2 bis 4, 31, 32, 34, 36 bis 38 und 39 Abs. 3 gelten sinngemäß.

Artikel 55

(1) Die Bezirksverordnetenversammlung kann weder durch eigenen Beschluß noch durch Volksentscheid aufgelöst werden.

(2) Wird das Abgeordnetenhaus vor Ablauf der Wahlperiode aufgelöst, so sind auch die Bezirksverordnetenversammlungen aufgelöst.

Artikel 56

Die Bezirksverordnetenversammlung ist Organ der bezirklichen Selbstverwaltung; sie übt die Kontrolle über die Verwaltung des Bezirks aus und stellt den jährlichen Finanzbedarf als Unterlage für den Haushaltsplan fest.

Artikel 57

(1) Die Bezirksverordnetenversammlung setzt zur Teilnahme an der laufenden Verwaltung des Bezirks nach Maßgabe der fachlichen Erfordernisse Deputationen ein. Sie entscheiden über die wichtigen Fragen ihres Zuständigkeitsbereiches.

(2) Die Deputationen bestehen aus Mitgliedern der Bezirksverordnetenversammlung, des Bezirksamts und sachkundigen Wahlberechtigten (Bürgerdeputierte). Die Bezirksverordneten und Bürgerdeputierten werden von der Bezirksverordnetenversammlung gewählt, die Mitglieder des Bezirksamts von diesem benannt. Jede Deputation muß in ihrer Mehrheit aus Bezirksverordneten bestehen.

(3) Die Deputationen tagen unter dem Vorsitz des zuständigen Mitgliedes des Bezirksamts.

Artikel 58

(1) Das Bezirksamt besteht aus dem Bezirksbürgermeister und höchstens acht Bezirksstadträten, von denen einer zugleich zum stellvertretenden Bezirksbürgermeister gewählt wird.

(2) Das Bezirksamt ist die Verwaltungsbehörde des Bezirks; es vertritt Berlin in Angelegenheiten seines Bezirks.

Artikel 59

(1) Das Bezirksamt beschließ auf Vorschlag des Bezirksbürgermeisters den Geschäftsplan, der der Geschäftsverteilung des Senats anzupassen ist.

(2) Der Bezirksbürgermeister untersteht der Dienstaufsicht des Regierenden Bürgermeisters. Der Bezirksbürgermeister hat die Dienstaufsicht über die Mitglieder des Bezirksamts. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern des Bezirksamts entscheidet das Bezirksamt.

(3) Verstößt ein Beschluß des Bezirksamts gegen ein Gesetz oder die allgemeinen Anweisungen des Senats, so hat der Bezirksbürgermeister den Beschluß zu beanstanden. Er legt die Beanstandung dem Senat zur Entscheidung vor und macht der Bezirksverordnetenversammlung davon Mitteilung

Artikel 60

Die Bezirksverordnetenversammlung kann mit Zweidrittelmehrheit der Bezirksverordneten ein Mitglied des Bezirksamts vor Beendigung der Amtszeit abberufen.

Artikel 61

(1) Alle Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen im öffentlichen Dienst erfolgen durch den Senat. Für die Bezirke wird dieses Recht den Bezirksämtern übertragen.

(2) Über die Versetzung aus einem Bezirk in einen anderen, aus der Hauptverwaltung in die Verwaltung eines Bezirks, oder umgekehrt, entscheidet der Senat nach Anhörung der beteiligten Bezirksämter.

Abschnitt VII
Die Rechtspflege

Artikel 62

Die Rechtspflege ist im Geist dieser Verfassung und des sozialen Verständnisses auszuüben.

Artikel 63

(1) Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte im Namen des deutschen Volkes ausgeübt.

(2) An der Rechtspflege sind Männer und Frauen aller Volksschichten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu beteiligen.

Artikel 64

(1) Die Richter sind an die Gesetze gebunden.

(2) Die Gerichte sind nicht befugt, Gesetze und Verordnungen, die das Abgeordnetenhaus beschlossen hat, auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Artikel 65

(1) Ein Beschuldigter kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.

(2) Ein Beschuldigter gilt nicht als schuldig, solange er nicht von einem Gericht verurteilt ist.

Artikel 66

Keine Strafbestimmung hat rückwirkende Kraft, es sei denn, daß sie für den Täter günstiger ist als die zur Zeit der Tat geltende Strafbestimmung.

Artikel 67

Ausnahmegerichte sind unstatthaft.

Artikel 68

Das Recht der Begnadigung übt der Senat nach Anhörung des von dem Abgeordnetenhaus gewählten Ausschusses für Gnadensachen aus.

Artikel 69

(1) Die Berufsrichter werden vom Senat ernannt, wenn sie nach ihrer Persönlichkeit und ihrer bisherigen Tätigkeit in der Rechtspflege die Gewähr dafür bieten, daß sie ihr Richteramt im Geist der Verfassung und sozialen Gerechtigkeit ausüben werden. Die gewählten höchsten Richter haben ein Vorschlagsrecht für ihren Amtsbereich.

(2) Die höchsten Richter werden nach Maßgabe eines Richterwahlgesetzes auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus für dieses Amt auf die Dauer von 6 Jahren gewählt; sie müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Nach Ablauf ihrer Amtsdauer treten sie in ihr früheres oder ein gleichwertiges Amt zurück, sofern nicht eine Wiederwahl erfolgt.

Artikel 70

(1) Es wird ein Disziplinargerichtshof aus Berufsrichtern und Laien gebildet; seine Mitglieder werden vom Abgeordnetenhaus gewählt.

(2) Erfüllt ein Richter die Voraussetzungen seiner Ernennung gemäß Artikel 69 nicht mehr oder verstößt ein Richter gegen die Verfassung oder die Gesetze, so ist bei dem Disziplinargerichtshof ein Verfahren gegen ihn einzuleiten.

(3) Der Disziplinargerichtshof kann auf Amtsenthebung erkennen.

(4) Alles Nähere wird durch ein Gesetz geregelt.

Artikel 71

(1) Dem Schutz gegen widerrechtliche Maßnahmen der Verwaltung dient die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(2) Gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörde kann der Betroffene die Entscheidung der Verwaltungsgerichte anrufen. Das gilt insbesondere, wenn ein ihm zustehendes Recht verletzt ist oder wenn er mit einer ihm nicht obliegenden Pflicht belastet wird.

Artikel 72

(1) Es wird ein Verfassungsgerichtshof aus Berufsrichtern und Laien gebildet; sie werden vom Abgeordnetenhaus gewählt.

(2) Gegen Mitglieder des Senats, Bezirksbürgermeister, sowie gegen die gewählten höchsten Richter und den Präsidenten des Rechnungshofes kann das Abgeordnetenhaus im Falle einer Verletzung der Verfassung oder der Gesetze bei dem Verfassungsgerichtshof Anklage erheben. Der Beschluß des Abgeordnetenhauses bedarf der Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten.

(3) Auf Antrag des Senats oder eines Viertels der Mitglieder des Abgeordnetenhauses hat sich der Verfassungsgerichtshof gutachtlich zur Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu äußern.

(4) Alles Nähere wird durch ein Gesetz geregelt.

Abschnitt VIII
Das Finanzwesen

Artikel 73

(1) Alle Einnahmen und Ausgaben müssen für jedes Rechnungsjahr in dem Haushaltsplan veranschlagt werden; er wird durch ein Gesetz festgestellt (Haushaltsgesetz).

(2) Für die Bezirke sind besondere Pläne unter ihrer Mitwirkung aufzustellen. Dabei ist ein Ausgleich im Haushaltsplan so vorzunehmen, daß eine gerechte soziale und gleichmäßige kulturelle Betreuung der Bevölkerung gewährleistet wird. Der von den Bezirken ermittelte Finanzbedarf ist als Unterlage für den Haushaltsplan dem Abgeordnetenhaus vorzulegen.

(3) Für die Bezirke sind im Haushaltsplan angemessene Verfügungs- und Verstärkungsmittel bereitzustellen.

Artikel 74

(1) Das Haushaltsgesetz bildet die Grundlage für die Verwaltung aller Einnahmen und Ausgaben.

(2) Haushaltsmittel dürfen nur in Anspruch genommen werden, soweit es eine sparsame Verwaltung erforderlich macht.

Artikel 75

(1) Der Senat darf ohne gesetzliche Grundlage weder Steuern oder Abgaben erheben, noch Anleihen aufnehmen oder Sicherheiten leisten.

(2) Anleihen dürfen nur aufgenommen werden, wenn andere Mittel zur Deckung nicht vorhanden sind. Sie dürfen nur zur Bestreitung eines außerordentlichen Bedarfs, in der Regel nur für Anlagen von bleibendem Wert, aufgenommen werden.

(3) Für Ausgaben, die durch Anleihen gedeckt werden sollen, muß ein außerordentlicher Haushaltsplan aufgestellt werden.

Artikel 76

(1) Haushaltsüberschreitungen dürfen nur mit Zustimmung des Senats im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses vorgenommen werden.

(2) Für Haushaltsüberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung des Abgeordnetenhauses einzuholen.

(3) Erhebt der mit der Leitung des Finanzwesens beauftragte Senator gegen eine Haushaltsüberschreitung Einspruch, so ist ein Beschluß des Abgeordnetenhauses herbeizuführen.

Artikel 77

Ist der Haushaltsplan zu Beginn des neuen Rechnungsjahres noch nicht beschlossen, so ist der Senat ermächtigt, die notwendigen Ausgaben zu leisten, um bestehende Einrichtungen zu erhalten, gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen und die rechtlich begründeten Verpflichtungen zu erfüllen.

Artikel 78

(1) Vorlagen und Anträge, durch die im Haushaltsplan nicht vorgesehene Ausgaben entstehen, müssen vom Abgeordnetenhaus in zwei Lesungen beraten werden, zwischen denen in der Regel 48 Stunden liegen sollen.

(2) Die Beschlüsse müssen Bestimmungen über die Deckung enthalten.

Artikel 79

Die Mitglieder des Senats und der Bezirksämter, sowie alle Angestellten der Verwaltung, die gegen die Bestimmungen er Verfassung über das Finanzwesen schuldhaft verstoßen, haften für den daraus entstandenen Schaden. Eine Verpflichtung zum Schadensersatz ist jedoch nicht gegeben, wenn die Handlung zur Abwendung einer nicht voraussehbaren dringenden Gefahr erfolgte und die Verletzung der Vorschriften nicht über das durch die Notlage gebotene Maß hinausgegangen ist.

Artikel 80

Für die öffentlichen Wirtschaftsunternehmen und Betriebe ist eine allgemeine Betriebsordnung aufzustellen. Haushaltsführung, Vermögensverwaltung und Rechnungslegung der öffentlichen Wirtschaftsunternehmen und Betriebe sind nach Maßgabe dieser Betriebsordnung so einzurichten, daß ein klarer Einblick in die laufende Betriebsführung und die Ergebnisse möglich ist.

Artikel 81

(1) Die Umwandlung von öffentlichen Betrieben und von einzelnen Anlagen von bleibendem Wert in selbständige juristische Personen bedarf eines Beschlusses des Abgeordnetenhauses.

(2) Sondervermögen sind im Haushaltsplan nachzuweisen.

(3) Die Veräußerung von Vermögenswerten wird durch ein Gesetz über die Vermögensverwaltung von Berlin geregelt.

Artikel 82

Über die Einnahmen und Ausgaben hat der Senat dem Abgeordnetenhaus im folgenden Rechnungsjahr Rechnung zu legen.

Artikel 83

(1) Ein bei der Durchführung seiner Aufgaben unabhängiger Rechnungshof hat die Rechnungslegung auf Grund des Haushaltsplanes und der Haushaltsführung zu prüfen und das Prüfungsergebnis alljährlich dem Abgeordnetenhaus vorzulegen. Das Abgeordnetenhaus und der Senat können dem Rechnungshof besondere Prüfungsaufträge erteilen.

(2) Der Rechnungshof wird von einem Präsidenten geleitet. Dieser wird vom Abgeordnetenhaus auf die Dauer von 6 Jahren gewählt. Der Präsident des Rechnungshofes untersteht der Dienstaufsicht des Regierenden Bürgermeisters.

(3) Alles Nähere wird durch ein Gesetz geregelt.

Abschnitt IX
Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 84

Die Organe von Groß-Berlin üben ihre Befugnisse aus, bis sie nach den Bestimmungen dieser Verfassung ersetzt sind, die Inhaber öffentlicher Ämter bis zur Amtsübernahme durch ihre Nachfolger.

Artikel 85

Berliner Ortsrecht sowie Gesetze und Verordnungen von Groß-Berlin treten mit der Verkündung der Verfassung außer Kraft, soweit sie mit ihr im Widerspruch stehen.

Artikel 86

Bisheriges Reichsrecht und preußisches Recht, das im Widerspruch zu dieser Verfassung steht, ist innerhalb der vierjährigen ersten Wahlperiode vom Abgeordnetenhaus außer Kraft zu setzen.

Artikel 87

(1) Zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus und zur Beseitigung ihrer Folgen können während einer Übergangszeit durch Gesetz Rechtsvorschriften erlassen werden, die von den Bestimmungen der Verfassung abweichen.

(2) Dieser Artikel tritt mit dem 31. Dezember 1951 außer Kraft, wenn nicht diese Frist durch Gesetz verlängert wird.

Artikel 88

(1) Änderungen der Verfassung erfordern eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Abgeordnetenhauses.

(2) Änderungen der Verfassung können auch im Wege des Volksentscheides erfolgen; die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten ist erforderlich.

(3) Die Verfassung ist bei Erlaß eines Besatzungsstatuts, bei Abschluß eines Friedensvertrages und bei Verkündung einer Verfassung für Deutschland einer Überprüfung zu unterziehen.

Artikel 89

Diese Verfassung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.


Anhang
Beziehung zu den Besatzungsmächten

A

Die verfassungsrechtlichen Organe arbeiten selbstverantwortlich nach dieser Verfassung unter Beachtung der von dem Alliierten Kontrollrat und der Alliierten Kommandantur erlassenen Gesetze und Befehle.

B

Gesetze, Verordnungen und Befehle des Alliierten Kontrollrats und der Alliierten Kommandantur, die eine Einschränkung der Verfassung oder eine Änderung gesetzlicher Bestimmungen zum Inhalt haben, sind dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnisnahme vorzulegen und nach den Bestimmungen der Verfassung zu verkünden.

C

Die Wahl der Mitglieder des Senats ist vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses, die Wahl der Mitglieder der Bezirksämter von dem Regierenden Bürgermeister der Alliierten Kommandantur unverzüglich anzuzeigen.

D

Gesetze und Rechtsverordnungen sind, soweit sie die Ziele der Besetzung berühren, unverzüglich der Alliierten Kommandantur vorzulegen. Sie treten zu dem festgesetzten Termin in Kraft, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach der Vorlage beanstandet werden.