Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
Vom 7. Oktober 1949 (GBl. I S. 5)
Zuletzt geändert durch das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer vom 8. 12. 1958 (GBl. I S. 867)
Von dem Willen erfüllt, die Freiheit und die Rechte des Menschen zu
verbürgen, das Gemeinschafts- und Wirtschaftsleben in sozialer
Gerechtigkeit zu gestalten, dem gesellschaftlichen Fortschritt zu dienen,
die Freundschaft mit allen Völkern zu fördern und den Frieden zu
sichern, hat sich das deutsche Volk diese Verfassung gegeben.
A
Grundlagen der Staatsgewalt
(1) Deutschland ist eine unteilbare
demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf.
(2) Die Republik entscheidet alle Angelegenheiten, die für den
Bestand und die Entwicklung des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit
wesentlich sind; alle übrigen Angelegenheiten werden von den Ländern
selbständig entschieden.
(3) Die Entscheidungen der Republik werden grundsätzlich von den
Ländern ausgeführt.
(4) Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit.
(1) Die Farben der Deutschen Demokratischen Republik sind Schwarz-Rot-Gold.
(2) Die Hauptstadt der Republik ist Berlin.
(1) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
(2) Jeder Bürger hat das Recht und die Pflicht zur Mitgestaltung in
seiner Gemeinde, seinem Kreis, seinem Lande und in der Deutschen
Demokratischen Republik.
(3) Das Mitbestimmungsrecht der Bürger wird wahrgenommen
durch:
Teilnahme an Volksbegehren und Volksentscheiden;
Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts;
Übernahme öffentlicher Ämter in Verwaltung und Rechtsprechung.
(4) Jeder Bürger hat das Recht, Eingaben an die Volksvertretung zu
richten.
(5) Die Staatsgewalt muß dem Wohl des Volkes, der Freiheit, dem
Frieden und dem demokratischen Fortschritt dienen.
(6) Die im öffentlichen Dienst Tätigen sind Diener der Gesamtheit
und nicht einer Partei. Ihre Tätigkeit wird von der Volksvertretung
überwacht.
(1) Alle
Maßnahmen der Staatsgewalt müssen den Grundsätzen entsprechen, die
in der Verfassung zum Inhalt der Staatsgewalt erklärt sind. Über die
Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen entscheidet die Volksvertretung
gemäß Artikel 66 dieser Verfassung. Gegen Maßnahrnen, die den
Beschlüssen der Volksvertretung widersprechen, hat jedermann das
Recht und die Pflicht zum Widerstand.
(2) Jeder Bürger ist verpflichtet, im Sinne der Verfassung zu handeln
und sie gegen ihre Feinde zu verteidigen.
(1) Die allgemein anerkannten Regeln des
Völkerrechts binden die Staatsgewalt und jeden Bürger.
(2) Die Aufrechterhaltung und Wahrung freundschaftlicher Beziehungen
zu allen Völkern ist die Pflicht der Staatsgewalt.
(3) Kein Bürger darf an kriegerischen Handlungen teilnehmen, die der
Unterdrückung eines Volkes dienen.
(4) Der Dienst zum Schutze des Vaterlandes und der Errungenschaften
der Werktätigen ist eine ehrenvolle nationale Pflicht der Bürger der
Deutschen Demokratischen Republik.
B
Inhalt und Grenzen der Staatsgewalt
I
Rechte des Bürgers
(1) Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt.
(2) Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen,
Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-,
Rassen-, Völkerhaß, militärische Propaganda sowie Kriegshetze
und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung
richten, sind Verbrechen im Sinne der Strafgesetzbuches. Ausübung
demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze.
(3) Wer wegen Begehung dieser Verbrechen bestraft ist, kann weder
im öffentlichen Dienst noch in leitenden Stellen im wirtschaftlichen und
kulturellen Leben tätig sein. Er verliert das Recht, zu wählen und
gewählt zu werden.
(1) Mann und Frau sind gleichberechtigt.
(2) Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der
Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.
(1) Persönliche Freiheit,
Unverletzlichkeit der Wohnung, Postgeheimnis und das Recht, sich an
einem beliebigen Ort niederzulassen, sind gewährleistet. Die Staatsgewalt
kann diese Freiheiten nur auf Grund der für alle Bürger geltenden
Gesetze einschränken oder entziehen.
(1) Alle Bürger
haben das Recht, innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze
ihre Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich zu diesem Zweck
friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Diese Freiheit wird durch
kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt; niemand darf benachteiligt
werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.
(2) Eine Pressezensur findet nicht statt.
(1) Kein Bürger darf einer
auswärtigen Macht ausgeliefert werden.
(2) Fremde Staatsbürger werden weder ausgeliefert noch ausgewiesen,
wenn sie wegen ihres Kampfes für die in dieser Verfassung niedergelegten
Grundsätze im Ausland verfolgt werden.
(3) Jeder Bürger ist berechtigt, auszuwandern. Dieses Recht kann nur
durch Gesetz der Republik beschränkt werden.
(1) Die fremdsprachigen Volksteile
der Republik sind durch Gesetzgebung und Verwaltung in ihrer
freien volkstümlichen Entwicklung zu fördern; sie dürfen insbesondere
am Gebrauch ihrer Muttersprache im Unterricht, in der inneren Verwaltung
und in der Rechtspflege nicht gehindert werden.
(1) Alle Bürger haben das Recht, zu
Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder
Gesellschaften zu bilden.
(1) Vereinigungen, die
die demokratische Gestaltung des öffentlichen Lebens auf der Grundlage
dieser Verfassung satzungsgemäß erstreben und deren Organe
durch ihre Mitglieder bestimmt werden, sind berechtigt, Wahlvorschläge
für die Volksvertretungen der Gemeinden, Kreise und Länder
einzureichen.
(2) Wahlvorschläge für die Volkskammer dürfen nur die Vereinigungen
aufstellen, die nach ihrer Satzung die demokratische Gestaltung des
staatlichen und gesellschaftlichen Lebens der gesamten Republik erstreben
und deren Organisation das ganze Staatsgebiet umfaßt.
(1) Das Recht, Vereinigungen
zur Förderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen anzugehören, ist für
jedermann gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche diese
Freiheit einschränken oder zu behindern suchen, sind rechtswidrig und
verboten.
(2) Das Streikrecht der Gewerkschaften ist gewährleistet.
(1) Die Arbeitskraft wird vom Staat
geschützt.
(2) Das Recht auf Arbeit wird verbürgt. Der Staat sichert durch
Wirtschaftslenkung jedem Bürger Arbeit und Lebensunterhalt. Soweit
dem Bürger angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden
kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt.
(1) Jeder Arbeitende
hat ein Recht auf Erholung, auf jährlichen Urlaub gegen Entgelt, auf
Versorgung bei Krankheit und im Alter.
(2) Der Sonntag, die Feiertage und der 1. Mai sind Tage der Arbeitsruhe
und stehen unter dem Schutz der Gesetze.
(3) Der Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der arbeitenden
Bevölkerung, dem Schutze der Mutterschaft und der Vorsorge
gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit
und sonstigen Wechselfällen des Lebens dient ein einheitliches, umfassendes
Sozialversicherungswesen auf der Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten.
(1) Die Regelung der Produktion sowie der
Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Betrieben erfolgt unter maßgeblicher
Mitbestimmung der Arbeiter und Angestellten.
(2) Die Arbeiter und Angestellten nehmen diese Rechte durch
Gewerkschaften und Betriebsräte wahr.
(1) Die Republik
schafft unter maßgeblicher Mitbestimmung der Werktätigen ein einheitliches
Arbeitsrecht, eine einheitliche Arbeitsgerichtsbarkeit und einen
einheitlichen Arbeitsschutz.
(2) Die Arbeitsbedingungen müssen so beschaffen sein, daß die
Gesundheit, die kulturellen Ansprüche und das Familienleben der
Werktätigen gesichert sind.
(3) Das Arbeitsentgelt muß der Leistung entsprechen und ein menschenwürdiges
Dasein für den Arbeitenden und seine unterhaltungsberechtigten
Angehörigen gewährleisten.
(4) Mann und Frau, Erwachsener und Jugendlicher haben bei gleicher
Arbeit das Recht auf gleichen Lohn.
(5) Die Frau genießt besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis. Durch
Gesetz der Republik werden Einrichtungen geschaffen, die es gewährleisten,
daß die Frau ihre Aufgabe als Bürgerin und Schaffende mit ihren
Pflichten als Frau und Mutter vereinbaren kann.
(6) Die Jugend wird gegen Ausbeutung geschützt und vor sittlicher,
körperlicher und geistiger Verwahrlosung bewahrt. Kinderarbeit ist
verboten.
II
Wirtschaftsordnung
(1) Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß
den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit entsprechen; sie muß allen ein
menschenwürdiges Dasein sichern.
(2) Die Wirtschaft hat dem Wohle des ganzen Volkes und der
Deckung seines Bedarfes zu dienen; sie hat jedermann einen seiner
Leistung entsprechenden Anteil an dem Ergebnis der Produktion zu
sichern.
(3) Im Rahmen dieser Aufgaben und Ziele ist die wirtschaftliche
Freiheit des einzelnen gewährleistet.
(1) Bauern, Handelund Gewerbetreibende sind
in der Entfaltung ihrer privaten Initiative zu
unterstützen. Die genossenschaftliche Selbsthilfe ist auszubauen.
(1) Zur Sicherung der Lebensgrundlagen und zur
Steigerung des Wohlstandes seiner Bürger stellt der
Staat durch die gesetzgebenden Organe, unter unmittelbarer Mitwirkung
seiner Bürger, den öffentlichen Wirtschaftsplan auf. Die Überwachung
seiner Durchführung ist Aufgabe der Volksvertretungen.
(1) Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet.
Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den
Gesetzen und den sozialen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft.
(2) Das Erbrecht wird nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts gewährleistet.
Der Anteil des Staates am Erbe wird durch Gesetze bestimmt.
(3) Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der
Künstler genießen den Schutz, die Förderung und die Fürsorge der
Republik.
(1) Beschränkungen des Eigentums und Enteignungen
können nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher
Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgen gegen angemessene
Entschädigung, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Wegen der
Höhe der Entschädigung ist im Streiffall der Rechtsweg bei den
ordentlichen Gerichten offenzuhalten, soweit ein Gesetz nichts anderes
bestimmt.
(1) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch darf dem
Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.
(2) Der Mißbrauch des Eigentums durch Begründung wirtschaftlicher
Machtstellung zum Schaden des Gemeinwohls hat die entschädigungslose
Enteignung und Überführung in das Eigentum des Volkes zur
Folge.
(3) Die Betriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Nationalsozialisten
sind enteignet und gehen in Volkseigentum über. Das gleiche gilt für
private Unternehmungen, die sich in den Dienst einer Kriegspolitik
stellen.
(4) Alle privaten Monopolorganisationen wie Kartelle, Syndikate,
Konzerne, Trusts und ähnliche auf Gewinnsteigerung durch Produktions-,
Preis- und Absatzregelung gerichtete private Organisationen
sind aufgehoben und verboten.
(5) Der private Großgrundbesitz, der mehr als 100 Hektar umfaßt, ist
aufgelöst und wird ohne Entschädigung aufgeteilt.
(6) Nach Durchführung dieser Bodenreform wird den Bauern das
Privateigentum an ihrem Boden gewährleistet.
(1) Alle Bodenschätze, alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte
sowie die zu ihrer Nutzbarmachung bestimmten Betriebe des Bergbaues,
der Eisen- und Stahlerzeugung und der Energiewirtschaft sind in
Volkseigentum zu überführen.
(2) Bis dahin untersteht ihre Nutzung der Aufsicht der Länder und,
soweit gesamtdeutsche Interessen in Frage kommen, der Aufsicht der
Republik.
(1) Die Verteilung und Nutzung des
Bodens wird überwacht und jeder Mißbrauch verhütet. Die Wertsteigerung
des Bodens, die ohne Arbeits- und Kapitalaufwendung für das
Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen.
(2) Jedem Bürger und jeder Familie ist eine gesunde und ihren
Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu sichern. Opfer des Faschismus,
Schwer-Körperbehinderte, Kriegsgeschädigte und Umsiedler sind
dabei bevorzugt zu berücksichtigen.
(3) Die Erhaltung und Förderung der Ertragssicherheit der Landwirtschaft
wird auch durch Landschaftsgestaltung und Landschaftspflege
gewährleistet.
(1) Private wirtschaftliche Unternehmungen, die für die Vergesellschaftung
geeignet sind, können durch Gesetz nach den für die
Enteignung geltenden Bestimmungen in Grundeigentum überführt
werden.
(2) Auf Grund eines Gesetzes kann der Republik, den Ländern, den
Kreisen oder Gemeinden durch Beteiligung an der Verwaltung oder in
anderer Weise ein bestimmender Einfluß auf Unternehmungen oder
Verbände gesichert werden.
(3) Durch Gesetz können wirtschaftliche Unternehmungen und
Verbände auf der Grundlage der Selbstverwaltung zusammengeschlossen
werden, um die Mitwirkung aller schaffenden Volksteile zu sichern,
Arbeiter und Unternehmer an der Verwaltung zu beteiligen und Erzeugung,
Herstellung, Verteilung, Verwendung, Preisglstaltung sowie Ein-
und Ausfuhr der Wirtschaftsgüter nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen
zu regeln.
(4) Die Konsum-, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie
die landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren Vereinigungen
sind unter Berücksichtigung ihrer Verfassung und Eigenart in die
Gemeinwirtschaft einzugliedern.
(1) Die Veräußerung und
Belastung von Grundbesitz, Produktionsstätten und Beteiligungen, die
sich im Eigentum des Volkes befinden, bedürfen der Zustimmung der
für ihren Rechtsträger zuständigen Volksvertretung. Diese Zustimmung
kann nur mit zwei Dritteln der gesetzliichen Mitgliederzahl erteilt werden.
(1) Das Vermögen und das Einkommen werden progressiv
nach sozialen Gesichtspunkten unter besonderer
Berücksichtigung der familiären Lasten besteuert.
(2) Bei der Besteuerung ist auf erarbeitetes Vermögen und Einkommen
besonders Rücksicht zu nehmen.
III
Familie und Mutterschaft
(1) Ehe und Familie bilden die Grundlage
des Gemeinschaftslebens. Sie stehen unter dem Schutz des Staates.
(2) Gesetze und Bestimmungen, die die Gleichberechtigung von
Mann und Frau in der Familie beeinträchtigen, sind aufgehoben.
(1) Die Erziehung der Kinder zu
geistig und körperlich tüchtigen Menschen im Geiste der Demokratie ist
das natürliche Recht der Eltern und deren oberste Pflicht gegenüber der
Gesellschaft.
(1) Die Frau hat während der Mutterschaft
Anspruch auf besonderen Schutz und Fürsorge des Staates.
(2) Die Republik erläßt ein Mutterschutzgesetz. Einrichtungen zum
Schutz für Mutter und Kind sind zu schaffen.
(1) Außereheliche Geburt darf weder
dem Kinde noch seinen Eltern zum Nachteil gereichen.
(2) Entgegenstehende Gesetze und Bestimmungen sind aufgehoben.
IV
Erziehung und Bildung
(1) Die Kunst, die
Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.
(2) Der Staat nimmt an ihrer Pflege teil und gewährt ihnen Schutz,
insbesondere gegen den Mißbrauch für Zwecke, die den Bestimmungen
und dem Geist der Verfassung widersprechen.
(1) Jeder Bürger hat das
gleiche Recht auf Bildung und auf freie Wahl seines Berufes.
(2) Die Bildung der Jugend sowie die geistige und fachliche Weiterbildung
der Bürger werden auf allen Gebieten des staatlichen und gesellschaftlichen
Lebens durch die öffentlichen Einrichtungen gesichert.
(1) Die Einrichtung des öffentlichen Schulwesens und
die Durchführung des Schulunterrichts obliegen den Ländern.
Die Republik erläßt hierzu einheitliche gesetzliche Grundbestimmungen.
Die Republik kann selbst öffentliche Schuleinrichtungen schaffen.
(2) Für die Ausbildung der Lehrer erläßt die Republik einheitliche
Bestimmungen. Die Ausbildung erfolgt an Universitäten oder an ihnen
gleichgestellten Hochschulen.
(1) Die Schule erzieht die Jugend im
Geiste der Verfassung zu selbständig denkenden, verantwortungsbewußt
handelnden Menschen, die fähig und bereit sind, sich in das Leben
der Gemeinschaft einzuordnen.
(2) Als Mittlerin der Kultur hat die Schule die Aufgabe, die Jugend im
Geiste des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der
Völker und einer echten Demokratie zu wahrer Humanität zu erziehen.
(3) Die Eltern wirken bei der Schulerziehung ihrer Kinder durch
Eltembeiräte mit.
(1) Allgemeine Schulpflicht besteht bis zum
vollendeten 18. Lebensjahr. Nach Beendigung der für alle Kinder
obligatorischen Grundschule erfolgt die Weiterbildung in der Berufsschule
oder Fachschule, in der Oberschule und anderen öffentlichen
Bildungseinrichtungen. Der Besuch der Berufsschule ist Pflicht aller
Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahre, wenn sie keine
andere Schule besuchen. Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen
sind unzulässig.
(2) Die Berufs- und Fachschulen dienen der allgemeinen und beruflichen
Weiterbildung.
(3) Die Oberschule bereitet für die Hochschule vor. Der Weg zur
Hochschule führt jedoch nicht nur über die Oberschule, sondern auch
über andere öffentliche Bildungsanstalten, die zu diesem Zweck auszubauen
oder zu schaffen sind.
(4) Allen Bürgern ist durch Vorstudienanstalten der Besuch der
Hochschule zu ermöglichen.
(5) Den Angehörigen aller Schichten des Volkes wird die Möglichkeit
gegeben, ohne Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit Kenntnisse in
Volkshochschulen zu erwerben.
(1)Jedem Kind muß die Möglichkeit zur allseitigen
Entfaltung seiner körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte
gegeben werden. Der Bildungsgang der Jugend darf nicht
abhängig sein von der sozialen und wirtschaftlichen Lage des
Elternhauses. Vielmehr ist Kindern, die durch soziale Verhältnisse benachteiligt
sind, besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Besuch der Fachschule,
der Oberschule und der Hochschule ist Begabten aus allen
Schichten des Volkes zu ermöglichen.
(2) Es besteht Schulgeldfreiheit. Die Lernmittel an den Pflichtschulen
sind unentgeltlich. Der Besuch der Fachschule, Oberschule und Hochschule
wird im Bedarfsfalle durch Unterhaltsbeihilfen und andere
Maßnahmen gefördert.
(1) Der Religionsunterricht ist Angelegenheit der Religionsgemeinschaften.
Die Ausübung des Rechtes wird gewährleistet.
V
Religion und Religionsgemeinschaften
(1) Jeder Bürger genießt
volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung
steht unter dem Schutz der Republik.
(2) Einrichtungen von Religionsgemeinschaften, religiöse Handlungen
und der Religionsunterricht dürfen nicht für verfassungswidrige
oder parteipolitische Zwecke mißbraucht werden. Jedoch bleibt das
Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes
von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten.
(1) Private oder staatsbürgerliche Rechte und Pflichten werden durch
die Religionsausübung weder bedingt noch beschränkt.
(2) Die Ausübung privater oder staatsbürgerlicher Rechte oder die
Zulassung zum öffentlichen Dienst sind unabhängig von dem religiösen
Bekenntnis.
(3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.
Die Verwaltungsorgane haben nur insoweit das Recht, nach der
Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als davon
Rechte oder Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische
Erhebung dies erfordert.
(4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit
oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer
religiösen Eidesformel gezwungen werden.
(1) Es besteht keine Staatskirche.
Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften wird gewährleistet.
(2) Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten
selbständig nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze.
(3) Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen
Rechtes, soweit sie es bisher waren. Andere Religionsgemeinschaften
erhalten auf ihren Antrag gleiche Rechte, wenn sie durch ihre
Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten.
Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften
zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband
öffentlich-rechtliche Körperschaft.
(4) Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sind berechtigt,
von ihren Mitgliedern Steuern auf Grund der staatlichen Steuerlisten
nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen zu erheben.
(5) Den Religionsgemeinschaften werden Vereinigungen gleichgestellt,
die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur
Aufgabe machen.
(1) Das Recht der
Kirche auf Erteilung von Religionsunterricht in den Räumen der Schule
ist gewährleistet. Der Religionsunterricht wird von den durch die Kirche
ausgewählten Kräften erteilt. Niemand darf gezwungen oder gehindert
werden, Religionsunterricht zu erteilen. Über die Teilnahme am Religionsunterricht
bestimmen die Erziehungsberechtigten.
(1) Die auf Gesetz,
Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden öffentlichen Leistungen
an die Religionsgemeinschaften werden durch Gesetz abgelöst.
(2) Das Eigentum sowie andere Rechte der Religionsgemeinschaften
und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigskeitszwecke
bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen
werden gewährleistet.
(1) Soweit das Bedürfnis nach
Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder
anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften
zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen. Niemand darf zur
Teilnahme an solchen Handlungen gezwungen werden.
(1) Wer aus einer Religionsgemeinschaft öffentlichen Rechtes
mit bürgerlicher Wirkung austreten will, hat den Austritt
bei Gericht zu erklären oder als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter
Form einzureichen.
(1) Die Entscheidung über die Zugehörigkeit von Kindern
zu einer Religionsgesellschaft steht bis zu deren
vollendetem vierzehnten Lebensjahr den Erziehungsberechtigten zu.
Von da ab entscheidet das Kind selbst über seine Zugehörigkeit zu einer
Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft.
VI
Wirksamkeit der Grundrechte
(1) Soweit diese Verfassung die Beschränkung eines der vorstehenden Grundrechte
durch Gesetz zuläßt oder die nähere Ausgestaltung einem Gesetz
vorbehält, muß das Grundrecht als solches unangetastet bleiben.
C
Aufbau der Staatsgewalt
I
Volksvertretung der Republik
(1) Höchstes Organ der Republik ist die Volkskammer.
(1) Die Volkskammer besteht aus den Abgeordneten des deutschen Volkes.
(2) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer
und geheimer Wahl nach den Grundsätzen des Verhälthiswahlrechtes
auf die Dauer von vier Jahren gewählt.
(3) Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur
ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden.
(1) Wahlberechtigt sind
alle Bürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.
(2) Wählbar ist jeder Bürger, der das 21. Lebensjahr vollendet hat.
(3) Die Volkskammer besteht aus 400 Abgeordneten. Das Nähere
bestimmt ein Wahlgesetz.
(1) Wahlvorschläge zur Volkskammer können nur
von solchen Vereinigungen eingereicht werden, die den Voraussetzungen
des Artikels 13 Absatz 2 entsprechen.
(2) Näheres wird durch ein Gesetz der Republik bestimmt.
(1) Die Wahl findet an einem
Sonntag oder gesetzlichen Feiertag statt. Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis
werden gewährleistet.
(1) Die Volkskammer tritt
spätetens am 30. Tage nach der Wahl zusammen, falls sie nicht vom
bisherigen Präsidium früher einberufen wird.
(2) Der Präsident muß die Volkskammer einberufen, wenn die
Regierung oder mindestens ein Fünftel der Abgeordneten der Volkskammer
es verlangen.
(1) Spätestens am 60. Tage nach Ablauf
der Wahlperiode oder am 45. Tage nach Auflösung der Volkskammer
muß deren Neuwahl stattfinden.
(2) Vor Ablauf der Wahlperiode findet eine Auflösung der Volkskammer,
abgesehen von dem Fall des Artikels 95 Absatz 6, nur durch eigenen
Beschluß oder Volksentscheid statt.
(3) Die Auflösung der Volkskammer durch eigenen Beschluß bedarf
der Zustimmung von mehr als der Hälfe der gesetzlichen Zahl der
Abgeordneten.
(1) Die Volkskammer wählt
bei ihrem ersten Zusammentritt das Präsidium und gibt sich eine
Geschäftsordnung.
(2) In dem Präsidium ist jede Fraktion vertreten, soweit sie mindestens
40 Mitglieder hat.
(3) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern
und den Beisitzern.
(4) Der Präsident führt die Geschäfte des Präsidiums und leitet die
Verhandlungen der Volkskammer. Er übt das Hausrecht in der Volkskammer aus.
(1) Die Beschlüsse des Präsidiums werden mit Stimmenmehrheit gefaßt.
(2) Das Präsidium ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte
seiner Mitglieder anwesend ist.
(3) Auf Beschluß des Präsidiums beruft der geschäftsführende Präsident
die Volkskammer ein; er beraumt den Termin für Neuwahlen an.
(4) Das Präsidium führt seine Geschäfte fort bis zum Zusammentritt
der neuen Volkskammer.
(1) Die Volkskammer prüft das Recht der
Mitgliedschaft und entscheidet über die Gültigkeit der Wahlen.
(1) Die Volkskammer bestellt für die
Zeit, in der sie nicht versammelt ist, und nach Beendigung einer
Wahlperiode oder nach der Auflösung der Volkskammer drei ständige
Ausschüsse zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben, und zwar:
einen Ausschuß für allgemeine Angelegenheiten,
einen Ausschuß für Wirtschafts- und Finanzfragen,
einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten.
(2) Diese Ausschüsse haben die Rechte von Untersuchungsausschüssen.
(1) Die Volkskammer faßt ihre Beschlüsse
mit Stimmenmehrheit, soweit nicht in dieser Verfassung etwas anderes
bestimmt ist.
(2) Sie ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder
anwesend ist.
(1) Die Verhandlungen der Volkskammer und
ihrer Ausschüsse sind öffentlich. Ein Ausschluß der
Öffentlichkeit findet in der Volkskammer auf Verlangen von zwei
Dritteln der anwesenden Abgeordneten statt; in den Ausschüssen ist die
Mehrheit der Mitglieder notwendig.
(2) Für wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen der
Volkskammer oder ihrer Ausschüsse kann niemand zur Verantwortung
gezogen werden.
(1) Zur Zuständigkeit der Volkskammer
gehören:
die Bestimmung der Grundsätze der Regierungspolitik und ihrer
Durchführung;
die Bestätigung, Überwachung und Abberufung der Regierung;
die Bestimmung der Grundsätze der Verwaltung und die Überwachung
der gesamten Tätigkeit des Staates;
das Recht zur Gesetzgebung, soweit nicht ein Volksentscheid stattfindet;
die Beschlußfassung über den Staatshaushalt, den Wirtschaftsplan,
Anleihen und Staatskredite der Republik und die Zustimmung zu
Staatsverträgen; der Erlaß von Amnestien;
die Wahl des Präsidenten der Republik;
die Wahl der Mitglieder des Obersten Gerichtshofes der Republik und
des Obersten Staatsanwaltes der Republik sowie deren Abberufung.
(1) Die Volkskammer und jeder ihrer Ausschüsse können die Anwesenheit des
Ministerpräsidenten, jedes Ministers, ihrer ständigen Vertreter und der Leiter der
Verwaltungen der Republik zum Zwecke der Erteilung von Auskünften
verlangen. Die Mitglieder der Regierung und die von ihnen bestellten
Beauftragten haben zu den Sitzungen der Volkskammer und ihrer
Ausschüsse jederzeit Zutritt.
(2) Auf ihr Verlangen müssen die Regierungsvertreter während der
Beratung auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden.
(3) Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Präsidenten.
(1) Zur Überwachung der Tätigkeit der Staatsorgane
hat die Volkskammer das Recht und auf Antrag
von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten die Pflicht,
Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben die
Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich halten. Sie
können zu diesem Zweck Beauftragte entsenden.
(2) Die Gerichte und die Verwaltungen sind verpflichtet, dem
Ersuchen dieser Ausschüsse oder ihrer Beauftragten um Beweiserhebungen
Folge zu leisten und ihre Akten auf Verlangen zur Einsichtnahme
vorzulegen.
(3) Für die Beweiserhebungen der Untersuchungsausschüsse finden
die Vorschriften der Strafprozeßordnung entsprechende Anwendung.
(1) Die Volkskammer bildet für die
Dauer der Wahlperiode einen Verfassungsausschuß, in dem alle Fraktionen
entsprechend ihrer Stärke vertreten sind. Dem Verfassungsausschuß
gehören ferner drei Mitglieder des Obersten Gerichtshofes der Republik
sowie drei deutsche Staatsrechtslehrer an, die nicht Mitglieder der
Volkskammer sein dürfen.
(2) Die Mitglieder des Verfassungsausschusses werden von der Volkskammer
gewählt.
(3) Der Verfassungsausschuß prüft die Verfassungsmäßigkeit von
Gesetzen der Republik.
(4) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen der Republik
können nur von mindestens einem Drittel der Mitglieder der Volkskammer,
von deren Präsidium, von dem Präsidenten der Republik, von der
Regierung der Republik geltend gemacht werden.
(5) Verfassungsstreitigkeiten zwischen der Republik und den Ländern
sowie die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit den Gesetzen der
Republik prüft der Verfassungsausschuß.
(6) Über das Gutachten des Verfassungsausschusses entscheidet die
Volkskammer. Ihre Entscheidung ist für jedermann verbindlich.
(7) Die Volkskammer beschließt auch über den Vollzug ihrer Entscheidung.
(8) Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Regierungs- und
Verwaltungsmaßnahmen ist Aufgabe der Volkskammer in Durchführung
der ihr übertragenen Verwaltungskontrolle.
(1) Kein Abgeordneter der Volkskammer darf zu irgendeiner Zeit
wegen seiner Abstimmung oder wegen
der in Ausübung seiner Abgeordnetentätigkeit getanen Äußerungen
gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung
zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für Verleumdungen
im Sinne des Strafgesetzbuches, wenn sie als solche von einem
Untersucnungsausschuß der Volkskammer festgestellt worden sind.
(2) Beschränkungen der persönlichen Freiheit, Hausdurchsuchungen,
Beschlagnahmungen oder Strafverfolgungen sind gegen Abgeordnete
nur mit Einwilligung der Volkskammer zulässig.
(3) Jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten der Volkskammer
und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit
wird auf Verlangen des Hauses, dem der Abgeordnete angehört, für die
Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.
(4) Die Abgeordneten der Volkskammer sind berechtigt, über Personen,
die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertrauen
oder denen sie in Ausübung ihres Abgeordnetenberufes solche
Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst die
Aussage zu verweigern. Auch wegen der Beschlagnahme von Schriftstücken
stehen sie den Personen gleich, die ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht
haben.
(5) Eine Untersuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen der
Volkskammer nur mit Zustimmung des Präsidiums vorgenommen werden.
(1) Abgeordnete der Volkskammer bedürfen zur Ausübung ihrer Tätigkeit keines
Urlaubs.
(2) Bewerbern um einen Sitz in der Volkskammer ist der zur
Vorbereitung der Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.
(3) Gehalt und Lohn sind weiterzuzahlen.
(1) Die Abgeordneten der Volkskammer erhalten eine steuerfreie Aufwandsentschädigung.
(2) Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung ist unzulässig.
(3) Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung ist nicht übertragbar
und nicht pfändbar.
(1) Die Abgeordneten
der Volkskammer haben das Recht zur freien Fahrt auf allen öffentlichen
Verkehrsmitteln.
III
Gesetzgebung
(1) Die Gesetze werden von der Volkskammer
oder unmittelbar vom Volke durch Volksentscheid beschlossen.
(1) Die Gesetzesvorlagen werden von der
Regierung oder aus der Mitte der Volkskammer eingebracht. Über die
Gesetzentwürfe finden mindestens zwei Lesungen statt.
(1) Die Verfassung kann im Wege der
Gesetzgebung geändert werden.
(2) Beschlüsse der Volkskammer auf Abänderung der Verfassung
kommen nur zustande, wenn zwei Drittel der Abgeordneten anwesend
sind und wenn wenigstens zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten
zustimmen.
(3) Soll durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen
werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten
erforderlich.
[Aufgehoben]
(1) Der Präsident der Volkskammer hat die verfassungsmäßig zustande gekommenen
Gesetze innerhalb eines Monats auszufertigen. Sie werden vom Präsidenten
der Republik unverzüglich im Gesetzblatt der Republik verkündet.
(2) Die Ausfertigung und Verkündung findet nicht statt, wenn
innerhalb Monatsfrist die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes gemäß
Artikel 66 festgestellt worden ist.
(3) Gesetze treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, am 14. Tage
nach der Verkündung in Kraft.
(1) Die Ausfertigung und
Verkündung eines Gesetzes ist um zwei Monate auszusetzen, wenn es
ein Drittel der Abgeordneten der Volkskammer verlangt.
(2) Das Gesetz ist nach Ablauf dieser Frist auszufertigen und zu
verkünden, falls nicht ein Volksbegehren auf Volksentscheid gegen den
Erlaß des Gesetzes durchgeführt ist.
(3) Gesetze, die die Mehrheit der Mitglieder der Volkskammer für
dringlich erklärt, müssen ungeachtet dieses Verlangens ausgefertigt und
verkündet werden.
(1) Ein Gesetz, dessen
Verkündung auf Antrag von mindestens einem Drittel der Abgeordneten
der Volkskammer ausgesetzt ist, ist dem Volksentscheid zu unterbreiten,
wenn ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten es beantragt.
(2) Ein Volksentscheid ist ferner herbeizuführen, wenn ein Zehntel
der Stimmberechtigten oder wenn anerkannte Parteien oder
Massenorganisationen, die glaubhaft machen, daß sie ein Fünftel der
Stimmberechtigten vertreten, es beantragen (Volksbegehren).
(3) Dem Volksbegehren ist ein Gesetzentwurf zugrunde zu legen. Er
ist von der Regierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme der
Volkskammer zu unterbreiten.
(4) Der Volksentscheid findet nur statt, wenn das begehrte Gesetz
nicht in der Volkskammer in einer Fassung angenommen wird, mit der
die Antragsteller oder ihre Vertretungen einverstanden sind.
(5) Über den Haushaltsplan, über die Abgabengesetze und die
Besoldungsordnungen findet kein Volksentscheid statt.
(6) Das dem Volksentscheid unterbreitete Gesetz ist angenommen,
wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat.
(7) Das Verfahren beim Volksbegehren und Volksentscheid regelt ein
besonderes Gesetz.
(1) Der Haushaltsplan und der Wirtschaftsplan werden durch Gesetz beschlossen.
(2) Amnestien bedürfen eines Gesetzes.
(3) Staatsverträge, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung
beziehen, sind wie Gesetze zu verkünden.
(1) Ordnungsgemäß verkündete Gesetze sind von den Richtern auf
ihre Verfassungsmäßigkeit nicht zu prüfen.
(2) Nach Einleitung des in Artikel 66 vorgesehenen
Prüfungsverfahrens sind bis zu dessen Erledigung anhängige gerichtliche Verfahren
auszusetzen.
(1) Die zur Ausführung der
Gesetze der Republik erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften
werden, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, von der
Regierung der Republik erlassen.
IV
Regierung der Republik
(1) Die Regierung der Republik besteht
aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern.
(1) Die stärkste Fraktion der Volkskammer benennt
den Ministerpräsidenten; er bildet die Regierung. Alle
Fraktionen, soweit sie mindestens 40 Mitglieder haben, sind im
Verhältnis ihrer Stärke durch Minister oder Staatssekretäre vertreten.
Staatssekretäre nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen der Regierung
teil.
(2) Schließt sich eine Fraktion aus, so findet die Regierungsbildung
ohne sie statt.
(3) Die Minister sollen Abgeordnete der Volkskammer sein.
(4) Die Volkskammer bestätigt die Regierung und billigt das von ihr
vorgelegte Programm.
(1) Die Mitglieder der Regierung werden bei ihrem
Amtsantritt vom Präsidenten der Republik eidlich verpflichtet, ihre
Geschäfte unparteiisch zum Wohle des Volkes und getreu der Verfassung
und den Gesetzen zu führen.
(1) Die Regierung sowie jedes ihrer
Mitglieder bedürfen zur Geschäftsführung des Vertrauens der Volkskammer.
(1) Die Tätigkeit der Regierung in ihrer
Gesamtheit endet mit der Annahme eines Mißtrauensantrages durch die
Volkskammer.
(2) Der Mißtrauensantrag kommt nur zur Abstimmung, wenn
gleichzeitig mit ihm der neue Ministerpräsident und die von ihm zu
befolgenden Grundsätze der Politik vorgeschlagen werden. Über den
Mißtrauensantrag und diese Vorschläge wird in ein und derselben
Abstimmungshandlung entschieden.
(3) Der Beschluß auf Entziehung des Vertrauens ist nur wirksam,
wenn ihm mindestens die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl der
Abgeordneten zustimmt.
(4) Der Antrag auf Herbeiführung eines solchen Beschlusses muß von
mindestens einem Viertel der Mitglieder der Volkskammer unterzeichnet
sein. Über den Antrag darf frühestens am zweiten Tage nach seiner
Verhandlung abgestimmt werden. Der Antrag muß innerhalb einer
Woche nach seiner Einbringung erledigt werden.
(5) Tritt die neue Regierung ihr Amt nicht innerhalb von 21 Tagen
nach Annahme des Mißtrauensantrages an, so wird der Mißtrauensantrag
unwirksam.
(6) Wird der neuen Regierung das Mißtrauen ausgesprochen, so gilt
die Volkskammer als aufgelöst.
(7) Bis zum Amtsantritt einer neuen Regierung werden die Geschäfte
von der bisherigen Regierung weitergeführt.
(1) Ein Regierungsmitglied,
dem durch Beschluß der Volkskammer das Vertrauen entzogen
wird, muß zurücktreten. Die Geschäfte sind bis zum Amtsantritt des
Nachfolgers fortzuführen, sofern nicht die Volkskammer etwas anderes
beschließt.
(2) Die Bestimmungen des Artikels 95 Absatz 3 finden entsprechende
Anwendung.
(3) Jedes Regierungsmitglied kann jederzeit den Rücktritt erklären.
Sein Geschäftsbereich wird bis zur Bestellung des Nachfolgers von
seinem Stellvertreter wahrgenommen, es sei denn, daß die Volkskammer
etwas anderes beschließt.
(1) Der Ministerpräsident führt
den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre Geschäfte nach einer
Geschäftsordnung, die von der Regierung zu beschließen und der
Volkskammer mitzuteilen ist.
(1) Der Ministerpräsident bestimmt
die Richtlinien der Regierungspolitik nach Maßgabe der von der
Volkskammer aufgestellten Grundsätze. Er ist dafür der Volkskammer
verantwortlich.
(2) Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister den ihm
anvertrauten Geschäftszweig selbständig unter eigener Verantwortung
gegenüber der Volkskammer.
(1) Die Minister haben der Regierung
alle Gesetzentwürfe, ferner Angelegenheiten,
für welche die Verfassung oder das Gesetz es vorschreiben, sowie
Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich
mehrerer Minister berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu
unterbreiten.
(1) Die Regierung faßt ihre Beschlüsse
mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme
des Vorsitzenden.
(1) Der Präsident der Republik wird von der Volkskammer
auf die Dauer von vier Jahren gewählt. Die Sitzung wird vom Präsidenten
der Volkskammer einberufen und geleitet.
(2) Wählbar ist jeder Bürger nach Vollendung des 35. Lebensjahres.
(1) Der Präsident der Republik leistet bei seinem
Amtsantritt der Volkskammer folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes
widmen, die Verfassung und die Gesetze der Republik wahren, meine
Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben
werde."
(1) Der Präsident der Republik kann durch
Beschluß der Volkskammer abberufen werden. Der Beschluß bedarf einer
Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten.
(1) Der Präsident der Republik verkündet die Gesetze der
Republik.
(2) Er verpflichtet die Regierungsmitglieder bei ihrem Amtsantritt.
(1) Der Präsident der
Republik vertritt die Republik völkerrechtlich.
(2) Er schließt im Namen der Republik Staatsverträge mit auswärtigen
Mächten ab und unterzeichnet sie.
(3) Er beglaubigt und empfängt die Botschafter und Gesandten.
(1) Alle Anordnungen
und Verfügungen des Präsidenten der Republik bedürfen zu ihrer
Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Ministerpräsidenten oder
den zuständigen Minister.
(1) Der Präsident übt für die Republik
das Begnadigungsrecht aus, wobei er von einem Ausschuß der Volkskammer
beraten wird.
(1) Der Präsident der Republik wird im Falle
seiner Verhinderung zunächst durch den Präsidenten der Volkskammer
vertreten. Dauert die Behinderung des Präsidenten der Republik
voraussichtlich längere Zeit, so ist die Vertretung durch Gesetz zu regeln.
(2) Das gleiche gilt für den Fall einer vorzeitigen Erledigung der
Präsidentschaft bis zur Neuwahl des Präsidenten.
VI
Republik und Länder
(1) Jedes Land muß eine
Verfassung haben, die mit den Grundsätzen der Verfassung der Republik
übereinstimmt. Der Landtag ist die höchste und allgemeine Volksvertretung
des Landes.
(2) Die Volksvertretung muß in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer
und geheimer Wahl von allen wahlberechtigten Bürgern nach den im
Wahlgesetz für die Republik niedergelegten Grundsätzen des
Verhältniswahlrechts gewählt werden.
(1) Die Änderung des Gebiets von
Ländern und die Neubildung von Ländern innerhalb der Republik
erfolgt durch verfassungsänderndes Gesetz der Republik.
(2) Stimmen die unmittelbar beteiligten Länder zu, so bedarf es nur
eines einfachen Gesetzes.
(3) Ein einfaches Gesetz genügt ferner, wenn eines der beteiligten
Länder nicht zustimmt, die Gebietsänderung oder die Neubildung aber
durch Abstimmung der Bevölkerung der betreffenden Gebiete gefordert wird.
(1) Die Republik kann auf allen
Sachgebieten einheitliche Gesetze erlassen. Sie soll sich jedoch bei ihrer
Gesetzgebung auf die Aufstellung von Grundsätzen beschränken,
soweit hierdurch dem Bedürfnis einheitlicher Regelung Genüge geschieht.
(2) Soweit die Republik von ihrem Recht zur Gesetzgebung keinen
Gebrauch macht, haben die Länder das Recht der Gesetzgebung.
(1) Die Republik hat das
Recht der ausschließlichen Gesetzgebung über:
die auswärtigen Beziehungen;
den Außenhandel;
das Zollwesen,
sowie die Einheit des Zoll- und Handelsgebiets und
die Freizügigkeit des Warenverkehrs;
die Staatsangehörigkeit, die Freizügigkeit, die Ein- und Auswanderung,
die Auslieferung und das Paß- und Fremdenrecht;
das Personenstandsrecht;
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung und
das Gerichtsverfahren;
das Arbeitsrecht;
den Verkehr;
das Post-, Fernmelde- und Rundfunkwesen;
das Film- und Pressewesen;
das Währungs- und Münzwesen, Maß-, Gewichts- und Eichwesen;
die Sozialversicherung;
die Kriegsschäden- und Besatzungskosten und die Wiedergutmachungsleistungen.
(2) Der Republik obliegt die Gesetzgebung über den militärischen
Schutz der Heimat und über den Schutz der Zivilbevölkerung.
(1) Bei der Gesetzgebung auf
dem Gebiete des Finanz- und Steuerwesens muß die wirtschaftliche
Lebensfähigkeit der Länder, der Kreise und Gemeinden gewährleistet
sein.
(1) Gesamtdeutsches Recht geht dem Recht der Länder vor.
(1) Die Gesetze der
Republik werden grundsätzlich durch die Organe der Länder ausgeführt,
soweit nicht in dieser Verfassung cder in den Gesetzen etwas
anderes bestimmt ist. Soweit ein Bedürfnis dazu besteht, errichtet die
Republik durch Gesetz eigene Verwaltungen.
(1) Die Regierung der Republik
übt die Aufsicht in den Angelegenheiten aus, in denen der Republik das
Recht der Gesetzgebung zusteht.
(2) Soweit die Gesetze der Republik nicht von den Verwaltungen der
Republik ausgeführt werden, kann die Regierung der Republik allgemeine
Anweisungen erlassen. Sie ist ermächtigt, zur Überwachung der
Ausführung dieser Gesetze und Anweisungen Beauftragte zu den
ausführenden Verwaltungen zu entsenden. Für die Rechte dieser Beauftragten
gilt Artikel 65 entsprechend.
(3) Die Landesregierungen sind verpflichtet, auf Ersuchen der
Republik Mängel, die beider Ausführung der Gesetze der Republik
hervorgetreten sind, zu beseitigen.
(4) Hieraus entstehende Streitigkeiten werden in dem unter Artikel 66
Absatz 5 vorgeschriebenen Verfahren geprüft und entschieden.
VII
Verwaltung der Republik
(1) Die Pflege der auswärtigen
Beziehungen ist ausschließlich Sache der Republik.
(2) In Angelegenheiten, deren Regelung der Landesgesetzgebung zusteht,
können die Länder mit auswärtigen Staaten Verträge schließen; die
Verträge bedürfen der Zustimmung der Volkskammer.
(3) Vereinbarungen mit fremden Staaten über Veränderungen der
Grenzen der Republik werden nach Zustimmung des beteiligten Landes
durch die Republik abgeschlossen. Die Grenzveränderungen dürfen nur
auf Grund eines Gesetzes der Republik erfolgen, soweit es sich nicht um
bloße Berichtigung der Grenzen unbewohnter Gebietsteile handelt.
(1) Deutschland bildet ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet,
umgeben von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze.
(2) Fremde Staatsgebiete oder Gebietsteile können durch Staatsverträge
oder Übereinkommen dem deutschen Zollgebiet angeschlossen
werden. Aus dem deutschen Zollgebiet können durch Gesetz Teile
ausgeschlossen werden.
(3) Alle Waren, die sich im freien Verkehr im deutschen Zollgebiet
befinden, dürfen innerhalb des Zollgebietes über die Grenzen der
deutschen Länder und Gemeinden sowie der gemäß Absatz 2 angeschlossenen
fremden Staatsgebiete oder Gebietsteile frei ein- und durchgeführt werden.
(1) Die Zölle und die durch Gesetz der
Republik geregelten Steuern werden durch die Republik verwaltet.
(2) Die Abgabenhoheit steht grundsätzlich der Republik zu.
(3) Die Republik soll Abgaben nur insoweit erheben, als es zur
Deckung ihres eigenen Bedarfs erforderlich ist.
(4) Die Republik errichtet eine eigene Abgabenverwaltung. Dabei
sind Einrichtungen vorzusehen, die den Ländern die Wahrung besonderer
Landesinteressen auf den Gebieten der Landwirtschaft, des Handels,
des Gewerbes und der Industrie ermöglichen.
(5) Soweit es die einheitliche und gleichmäßige Durchführung der
Abgabengesetze der Republik erfordert, trifft die Republik durch
Gesetz Vorschriften über die Einrichtung der Abgabenverwaltung der
Länder, über die Einrichtung und Befugnisse der mit der Beaufsichtigung
der Ausführung der Abgabengesetze der Republik betrauten
Behörden, über die Abrechnung mit den Ländern und die Vergütung der
Verwaltungskosten bei Ausführung der Abgabengesetze der Republik.
(1) Abgaben und Steuern dürfen
nur auf Grund gesetzlicher Regelung erhoben werden.
(2) Vermögens-, Einkommen- und Verbrauchssteuern sind in einem
angemessenen Verhältnis zueinander zu halten und nach sozialen Gesichtspunkten
zu staffeln.
(3) Durch eine starke Staffelung der Erbschaftssteuer soll die Bildung
volksschädlicher Vermögenshäufung verhindert werden.
(1) Die Einnahmen und Ausgaben der Republik
müssen für jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan
eingestellt werden. Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres
durch ein Gesetz festgestellt.
(1) Über die Einnahmen der Republik
und ihre Verwendung legt der Finanzminister der Volkskammer zur
Entlastung der Regierung Rechnung ab. Die Rechnungsprüfung wird
durch Gesetz der Republik geregelt.
(1) Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei
außerordentlichem Bedarf beschafft werden. Eine solche Beschaffung
sowie die Übernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten der Republik
dürfen nur auf Grund eines Gesetzes der Republik erfolgen.
(1) Das Post-, Fernmelde- und Rundfunkwesen sowie das Eisenbahnwesen
werden von der Republik verwaltet.
(2) Die bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen sowie alle
dem Fernverkehr dienenden Straßen stehen in der Verwaltung der
Republik. Entsprechendes gilt für Wasserstraßen.
(1) Die Ordnung der Handelsschiffahrt und die
Regelung des Seeverkehrs und der Seezeichen sind Aufgabe der Verwaltung
der Republik.
VIII
Rechtspflege
(1) Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird durch
den Obersten Gerichtshof der Republik und durch die Gerichte der
Länder ausgeübt.
(1) Die Richter sind in ihrer
Rechtsprechung unabhängig und nur der Verfassung und dem Gesetz
unterworfen.
(1) Richter kann nur sein, wer
nach seiner Persönlichkeit und Tätigkeit die Gewähr dafür bietet, daß er
sein Amt gemäß den Grundsätzen der Verfassung ausübt.
(1) Die Republik trägt durch
den Ausbau der juristischen Bildungsstätten dafür Sorge, daß Angehörige
aller Schichten des Volkes die Möglichkeit haben, die Befähigung
zur Ausübung des Berufes als Richter, Rechtsanwalt und Staatsanwalt
zu erlangen.
(1) An der Rechtsprechung sind Laienrichter
im weitesten Umfange zu beteiligen.
(2) Die Laienrichter werden auf Vorschlag der demokratischen Parteien
und Organisationen durch die zuständigen Volksvertretungen
gewählt.
(1) Die Richter des
Obersten Gerichtshofes und der Oberste Staatsanwalt der Republik
werden auf Vorschlag der Regierung der Republik durch die Volkskammer
gewählt.
(2) Die Richter der Obersten Gerichte und die Obersten Staatsanwälte
der Länder werden auf Vorschlag der Landesregierungen von den
Landtagen gewählt.
(3) Die übrigen Richter werden von den Landesregierungen ernannt.
(1) Die Richter des Obersten
Gerichtshofes und der Oberste Staatsanwalt der Republik können von
der Volkskammer abberufen werden, wenn sie gegen die Verfassung und
die Gesetze verstoßen oder ihre Pflichten als Richter oder als Staatsanwalt
gröblich verletzen.
(2) Die Abberufung erfolgt nach Einholung des Gutachtens eines bei
der Volkskammer zu bildenden Justizausschusses.
(3) Der Justizausschuß besteht aus dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses
der Volkskammer, aus drei Mitgliedern der Volkskammer, zwei
Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes und einem Mitglied der Obersten
Staatsanwaltschaft. Den Vorsitz führt der Vorsitzende des Rechtsausschusses.
Die übrigen Ausschußmitglieder werden von der Volkskammer für
die Dauer der Wahlperiode gewählt. Die dem Justizausschuß
angehörenden Mitglieder des Obersten Gerichtshofes und der Obersten
Staatsanwaltschaft dürfen nicht Mitglieder der Volkskammer sein.
(4) Die durch die Landtage gewählten und durch die Landesregierungen
ernannten Richter können von den betreffenden Landtagen abberufen
werden. Die Abberufung erfolgt nach Einholung eines Gutachtens
des bei dem betreffenden Landtag zu bildenden Justizausschusses. Der
Justizausschuß besteht aus dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses des
Landtages, aus drei Mitgliedern des Landtages, zwei Mitgliedern des
Obersten Gerichts und einem Mitglied der Obersten Staatsanwaltschaft
des Landes. Den Vorsitz führt der Vorsitzende des Rechtsausschusses.
Die übrigen Ausschußmitglieder werden von dem betreffenden Landtag
für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Die dem Justizausschuß
angehörenden Mitglieder des Obersten Gerichts und der Obersten
Staatsanwaltschaft dürfen nicht Mitglieder des Landtages sein.
(5) Die von den Landesregierungen ernannten Richter können unter
den gleichen Voraussetzungen von den Landesregierungen abberufen
werden, jedoch nur mit Genehmigung des Justizausschusses des betreffenden
Landtages.
(1) Die Verhandlungen vor den Gerichten sind öffentlich.
(2) Bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der
Sittlichkeit kann die Öffentlichkeit durch Gerichtsbeschluß ausgeschlossen werden.
(1) Kein Bürger darf seinen gesetzlichen Richtern entzogen werden.
Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Gerichte für besondere Sachgebiete können vom
Gesetzgeber nur errichtet werden, wenn sie für im voraus und allgemein
bezeichnete Personengruppen oder Streitgegenstände zuständig sein
sollen.
(1) Strafen dürfen nur verhängt
werden, wenn sie zur Zeit der Tat gesetzlich angedroht sind.
(2) Kein Strafgesetz hat rückwirkende Kraft.
(3) Ausgenommen sind Maßnahmen und die Anwendung von
Bestimmungen, die zur Überwindung des Nazismus, des Faschismus
und des Militarismus getroffen werden oder die zur Ahndung von
Verbrechen gegen die Menschlichkeit notwendig sind.
(1) Bei vorläufigen
Festnahmen, Hausdurchsuchungen sowie Beschlagnahmen im Ermittlungsverfahren
ist die richterliche Bestätigung unverzüglich einzuholen.
(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat
nur der Richter zu entscheiden. Verhaftete sind spätestens am Tage nach
dem Ergreifen dem Richter vorzuführen. Wird von ihm die Untersuchungshaft
angeordnet, so hat er in regelmäßigen Abständen zu prüfen,
ob ihre Fortdauer gerechtfertigt ist.
(3) Der Grund der Verhaftung ist dem Festgenommenen bei der ersten
richterlichen Vernehmung zu eröffnen und auf seinen Wunsch einer von
ihm benannten Person innerhalb weiterer 24 Stunden mitzuteilen.
(1) Der Strafvollzug beruht auf dem Gedanken der Erziehung der Besserungsfähigen
durch gemeinsame produktive Arbeit.
(1) Dem Schutz der Bürger gegen
rechtswidrige Maßnahmen der Verwaltung dienen die Kontrolle durch
die Volksvertretungen und die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
(2) Aufbau und Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte werden durch
Gesetz geregelt.
(3) Für die Mitglieder der Verwaltungsgerichte gelten die Grundsätze
über die Wahl und Abberufung der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit
entsprechend.
IX
Selbstverwaltung
(1) Gemeinden und
Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der
Gesetze der Republik und der Länder.
(2) Zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehören die Entscheidung und
Durchführung aller öffentlichen Angelegenheiten, die das wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Leben der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes
betreffen. Jede Aufgabe ist vom untersten dazu geeigneten
Verband zu erfüllen.
(1) Die Gemeinden und
Gemeindeverbände haben Vertretungen, die nach demokratischen
Grundsätzen gebildet werden.
(2) Zu ihrer Unterstützung werden Ausschüsse gebildet, in denen
Vertreter der demokratischen Parteien und Organisationen verantwortlich
mitarbeiten.
(3) Wahlrecht und Wahlverfahren richten sich nach den für die Wahl
zur Volkskammer und zu den Landtagen geltenden Bestimmungen.
(4) Jedoch kann durch Landesgesetz die Wahlberechtigung von der
Däuer des Aufenthalts in der Gemeinde bis zu einem halben Jahr
abhängig gemacht werden.
(1) Die gewählten ausführenden Organe der Gemeinden und der Gemeindeverbände
bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens der Vertretungskörperschaften.
(1) Die Aufsicht über die Selbstverwaltung der
Gemeinden und der Gemeindeverbände beschränkt sich auf die Gesetzmäßigkeit
der Verwaltung und die Wahrung demokratischer Verwaltungsgrundsätze.
(1) Den Gemeinden und
Gemeindeverbänden können von der Republik und den Ländern Aufgaben
und die Durchführung von Gesetzen übertragen werden.
X
Übergangs- und Schlußbestimmungen
(1) Alle Bestimmungen dieser Verfassung sind unmittelbar geltendes Recht.
Entgegenstehende Bestimmungen sind aufgehoben. Die an ihre Stelle tretenden,
zur Durchführung der Verfassung erforderlichen Bestimmungen werden
gleichzeitig mit der Verfassung in Kraft gesetzt. Weitergeltende
Gesetze sind im Sinne dieser Verfassung auszulegen.
(2) Die verfassungsmäßigen Freiheiten und Rechte können nicht den
Bestimmungen entgegengehalten werden, die ergangen sind und noch
ergehen werden, um den Nationalsozialismus und Militarismus zu
überwinden und das von ihnen verschuldete Unrecht wiedergutzumachen.
Die vorstehende, vom Deutschen Volksrat unter Beteiligung des
gesamten Deutschen Volkes erarbeitete und am 19. März 1949 beschlossene,
vom Dritten Deutschen Volkskongreß am 30. Mai 1949 bestätigte und
durch Gesetz der Provisorischen Volkskammer vom 7. Oktober 1949 in
Kraft gesetzte Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
wird hiermit verkündet.
Berlin, den 7. Oktober 1949