Verordnung
über die Kontrolle der im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin gelegenen Grundstücke von Eigentümern mit Wohnsitz oder Sitz in den Westsektoren von Groß-Berlin oder in den Westzonen Deutschlands

(Grundstückskontrollverordnung ― GKVO)

Vom 27. Juli 1950.

(VOBl. Gr.-Bln. I, Nr. 38 vom 4. August 1950, S. 207)

Aufgehoben zum 1. Februar 1957 durch:

Im Anschluß an die Verordnung über die Regelung des Zahlungsverkehrs vom 13. Juli 1950 (VOBl. I S. 187) hat der Magistrat von Groß-Berlin zur Sicherung der Währung, zur planmäßigen Durchführung des Wiederaufbaues und der Wiederinstandsetzung von Wohn- und Arbeitsstätten und zur Verhinderung spekulativer Geschäfte mit Grundstücken und Miet- und Pachteinnahmen nachstehende Verordnung beschlossen, die hiermit verkündet wird:

§ 1

(1) Alle im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin gelegenen bebauten und unbebauten Grundstücke von Eigentümern mit Wohnsitz oder Sitz in den Westsektoren von Groß-Berlin oder in den Westzonen Deutschlands unterliegen der Kontrolle des Amtes für Grundstückskontrolle bei der Abteilung Aufbau des Magistrats von Groß-Berlin.

(2) Eigentümer im Sinne dieser Bestimmungen sind: natürliche Personen, juristische Personen, Gesellschaften und sonstige Personenvereinigungen.

§ 2

Der Kontrolle unterliegen bebaute und unbebaute Grundstücke im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin auch dann,

  1. wenn ein Miteigentümer oder Mitglied einer Erbengemeinschaft,
    bei Gesellschaften als Eigentümer ein Gesellschafter,
    bei juristischen Personen, die Grundstückseigentümer sind, ein gesetzlicher Vertreter oder Gesellschafter, Aufsichtsratsmitglied oder Verwaltungsratsmitglied,

seinen Wohnsitz in den Westsektoren von Groß-Berlin oder in den Westzonen Deutschlands hat,

  1. wenn auf Grund eines Vertrages oder einer amtlichen Bestellung über die Einkünfte aus diesen Grundstücken oder über diese selbst Personen zu verfügen berechtigt sind, die ihren Wohnsitz oder Sitz in den Westsektoren von Groß-Berlin oder in den Westzonen Deutschlands haben (insbesondere Abwesenheits- oder Nachlaßpfleger oder Testamentsvollstrecker).
§ 3

Die Bestimmungen der §§ 1 und 2 gelten sinngemäß auch für Erbbauberechtigte und Nießbraucher.

§ 4

(1) Die Bestimmungen der §§ 1 bis 3 finden Anwendung, sofern die in den §§ 1 bis 3 genannten natürlichen und juristischen Personen am 31. März 1949 ihren Wohnsitz oder Sitz in den Westsektoren von Groß-Berlin oder in den Westzonen Deutschlands hatten, oder ihn nach diesem Zeitpunkt nach dorthin verlegt haben oder noch verlegen (Kontrollpflichtige).

(2) Die Bestimmungen der §§ 1 bis 3 finden auch dann Anwendung, wenn

  1. ein Kontrollpflichtiger nach dem 31. März 1949 seinen Wohnsitz oder Sitz in den sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin oder in die Deutsche Demokratische Republik verlegt hat oder verlegt,
  2. ein der Kontrolle unterliegendes Grundstück nach dem 31. März 1949 von einem Eigentümer mit Wohnsitz oder Sitz im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin oder in der Deutschen Demokratischen Republik erworben wurde oder wird,
  3. Kontrollpflichtige im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin oder in der Deutschen Demokratischen Republik einen zweiten Wohnsitz haben oder einen zweiten Geschäftssitz oder eine Niederlassung unterhalten.
§ 5

Der Kontrolle unterliegen nicht:

  1. Grundstücke, die sich im Alleineigentum von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften, von Ausländern und von solchen juristischen Personen befinden, deren gesamtes Gesellschaftskapital Eigentum von Ausländern ist. Staatenlose gelten nicht als Ausländer.
  2. Grundstücke, die vom Magistrat von Groß-Berlin oder von juristischen Personen, die dem Magistrat von Groß-Berlin unterstehen, verwaltet werden.
  3. Grundstücke, die von der „Deutschen Treuhandstelle zur Verwaltung und Kontrolle des jüdischen und ausländischen Vermögens im sowjetischen Besatzungssektor der Stadt Berlin“ verwaltet wurden.
§ 6

Die Kontrolle erstreckt sich auf:

§ 7

(1) Für die der Kontrolle unterliegenden Grundstücke (Kontrollobjekte) müssen Bevollmächtigte dem Amt für Grundstückskontrolle benannt werden. Diese müssen mindestens berechtigt sein, rechtsverbindlich Erklärungen über alle das Kontrollobjekt betreffenden Angelegenheiten abzugeben und entgegenzunehmen. Für Kontrollobjekte mit Einkünften müssen die Bevollmächtigten darüber hinaus berechtigt sein, über diese zu verfügen (Verwaltungsvollmacht). Die Bevollmächtigten sind gegenüber dem Amt für Grundstückskontrolle verpflichtet, auf dessen Verlangen die Angaben zu machen und die Unterlagen beizubringen, die nach dem Ermessen des Amtes für Grundstückskontrolle zur Durchführung dieser Verordnung notwendig sind.

(2) Die Bevollmächtigung hat von dem Kontrollpflichtigen zu erfolgen. Für Kontrollobjekte mit Miteigentümern oder sonstigen Mitberechtigten muß die Bevollmächtigung im Einvernehmen mit diesen erfolgen.

(3) Wird von dem Kontrollpflichtigen kein Bevollmächtigter benannt, kommt eine Einigung zwischen Kontrollpflichtigen und Miteigentümern und sonstigen Mitberechtigten über die Bevollmächtigung nicht zustande oder bietet der benannte Bevollmächtigte nicht die Gewähr für die ordnungsmäßige Erfüllung der ihm nach dieser Verordnung obliegenden Verpflichtungen, so kann das Amt für Grundstückskontrolle einen Verantwortlichen bestellen, der die Rechte und Pflichten des Bevollmächtigten Wahrzunehmen hat (Beauftragter).

(4) Die Bevollmächtigten müssen ihren Wohnsitz und Geschäftssitz im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin oder in der Deutschen Demokratischen Republik haben. Sie dürfen weder einen zweiten Wohnsitz in den Westsektoren von Groß- Berlin oder in den Westzonen Deutschlands haben, noch einen Geschäftssitz dort unterhalten.

§ 8

(1) Alle Kontrollobjekte sind sofort dem Amt für Grundstückskontrolle zu melden.

(2) Die Meldepflicht obliegt den Kontrollpflichtigen und den im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin oder in der Deutschen Demokratischen Republik wohnenden Mitberechtigten oder den Bevollmächtigten.

(3) Nicht zu melden sind die Kontrollobjekte über deren Einkünfte auf Grund der Anordnung über die Einzahlung von Miet- und Pachtgeldern vom 31. März 1949 (VOBl. I S. 92) bereits abgerechnet wird.

§ 9

(1) Der Bevollmächtigte oder der Beauftragte ist verpflichtet, über die Einnahmen aus dem Kontrollobjekt und über die Ausgaben für diese beim Amt für Grundstückskontrolle abzurechnen.

(2) Vor der Abrechnung sind Zahlungen für:

  1. Grundsteuern,
  2. Einkommen- und Vermögensteuer, soweit diese für das Kontrollobjekt zu zahlen sind,
  3. öffentlich-rechtliche Abgaben und Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe (Wasser, Müll, Schornsteinfeger, Gas, Elektrizität, Straßenreinigung usw.),
  4. Versicherungsbeiträge, sofern der Versicherer zugelassen ist,
  5. Verwaltungsgebühren bis zur Höhe von 5 Prozent der Ist-Miete nach näherer Bestimmung des Amtes für Grundstückskontrolle zuzüglich einer Pauschale für Barauslagen (Porto, Fahrgelder, Telefon) von 10 Prozent der Verwaltungsgebühren,
  6. Hauswartlöhne und Reinigungsmaterial,
  7. Instandhaltungen bis zur Höhe von 50,― DM monatlich,
  8. Hypotheken-, Grundschuldzinsen und -tilgungen und Erbbauzinsen, und zwar bei kriegsbeschädigten Grundstücken in einem dem Ausmaß der Schäden entsprechenden Verhältnis, soweit diese Zins- und Tilgungsbeträge an den Magistrat von Groß-Berlin, an die Sparkasse der Stadt Berlin, an die Deutsche Investitionsbank ― Filiale Berlin ― an die Berliner Volksbank e. G. m. b. H., an einen Rechtsträger von Volkseigentum oder an einen sonstigen öffentlich-rechtlichen Gläubiger im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin oder im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu zahlen sind,
  9. Hypothekenzinsen, Grundschuldzinsen und -tilgungen an andere Gläubiger und Privatentnahmen, soweit das Amt für Grundstückskontrolle die Genehmigung dazu erteilt hat,

zu leisten und Belege darüber dem Amt für Grundstückskontrolle bei der Abrechnung vorzulegen.

(3) Andere Zahlungen für das Kontrollobjekt bedürfen der besonderen Freigabe des Amtes für Grundstückskontrolle.

(4) Die nach der Abrechnung sich ergebenden Überschüsse sind auf ein vom Amt für Grundstückskontrolle zu bestimmendes Sperrkonto einzuzahlen.

§ 10

(1) Wird auf einem Kontrollobjekt durch den Kontrollpflichtigen ein gewerbliches Unternehmen betrieben, so besteht eine Verpflichtung nach § 9 dieser Verordnung nur für den Grundstücks- oder Gebäudeteil, aus dem Einnahmen durch Vermietung oder Verpachtung erzielt werden.

(2) Die Verwendung von Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung für Zwecke gewerblicher Unternehmen ist nicht zulässig.

§ 11

(1) Mieter und Pächter dürfen die Miet- und Pachtzinsen eines Kontrollobjekts nur an den Bevollmächtigten oder Beauftragten (§ 7) zahlen.

Das gilt auch für den Fall der Pfändung, der Verpfändung, der Abtretung einer Miet- und Pachtzinsforderung sowie einer sonstigen Verfügung hierüber.

§ 13 dieser Verordnung bleibt unberührt.

(2) Zahlt der Mieter oder Pächter entgegen der Vorschrift in Abs. 1 an einen Dritten, so ist unbeschadet strafgerichtlicher Verfolgung (§ 17) das Amt für Grundstückskontrolle berechtigt, in Höhe der Leistungen nochmalige Zahlung von dem Mieter oder Pächter zu verlangen.

(3) Im Falle des Abs. 1 Satz 2 entscheidet das Amt für Grundstückskontrolle unter Ausschluß des Rechtsweges, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen eine Zahlung aus dem Sperrkonto (§ 9 Abs. 4) an den Dritten zu leisten ist.

(4) Im Falle der Pfändung des Sperrkontos (§ 9 Abs. 4) findet die Vorschrift des vorstehenden Abs. 3 entsprechende Anwendung.

§ 12

(1) Verfügungen über Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Rechte an Grundstücken, die der Kontrolle nach dieser Verordnung unterliegen, sind nur mit Einwilligung des Amtes für Grundstückskontrolle wirksam. Das gleiche gilt für die Bestellung von Rechten an solchen Grundstücken.

(2) Das Amt für Grundstückskontrolle ist berechtigt, die Grundbuchämter um die Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerkes in das Grundbuch zu ersuchen (§ 38 der Grundbuchordnung);

§ 39 der Grundbuchordnung ist nicht anzuwenden.

(3) Bei Veräußerung eines Kontrollobjektes ist der in bar zu entrichtende Teil des Kaufpreises auf ein vom Amt für Grundstückskontrolle zu bestimmendes Konto des Veräußerers im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin einzuzahlen, über das Verfügungen nur mit Zustimmung des Amtes für Grundstückskontrolle zulässig sind.

§ 13

Werden die dem Kontrollpflichtigen oder Bevollmächtigten oder Beauftragten aus dieser Verordnung und den dazu ergehenden Durchführungsbestimmungen obliegenden Verpflichtungen nach dem Ermessen des Amtes für Grundstückskontrolle nicht ordnungsgemäß erfüllt, so kann dieses

  1. über die auf dem Sperrkonto befindlichen Beträge im Interesse der Erhaltung des Grundstücks verfügen,
  2. die Mieter und Pächter zur unmittelbaren Zahlung auf das Sperrkonto verpflichten,
  3. das Grundstück selbst verwalten oder einen Dritten mit der Verwaltung beauftragen.
§ 14

(1) Im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin gelegene bebaute und unbebaute Grundstücke dürfen, auch wenn ihre Eigentümer ihren Wohnsitz oder Sitz im sowjetisch besetzten Sektor von Groß-Berlin oder in der Deutschen Demokratischen Republik haben, nicht von Personen verwaltet werden, die einen Wohnsitz oder Geschäftssitz in den Westsektoren von Groß-Berlin oder in den Westzonen Deutschlands haben.

(2) Werden Grundstücke sechs Wochen nach Inkrafttreten dieser Verordnung noch von Personen verwaltet, die einen Wohnsitz oder Geschäftssitz in den Westsektoren von Groß-Berlin oder in den Westzonen Deutschlands haben, so unterliegen auch diese Grundstücke als Kontrollobjekte den Bestimmungen dieser Verordnung.

§ 15

Das Amt für Grundstückskontrolle kann ein Kontrollobjekt von der Verpflichtung der §§ 9 und 10 freistellen, wenn das Grundstück sich in einem ordnungsgemäßen Zustande befindet und die Einnahmen daraus nur gering sind.

§ 16

(1) Das Amt für Grundstückskontrolle ist berechtigt, für seine im Rahmen dieser Verordnung ausgeübte Kontrolltätigkeit Gebühren zu erheben.

(2) Für die Kontrolle der Abrechnung gemäß §§ 9 und 10 beträgt die Gebühr 1 vom Hundert der jeweiligen Miet- und Pachteinnahmen aus dem Kontrollobjekt, mindestens vierteljährlich 5 DM.

(3) Für die Freistellung gemäß § 15 beträgt die Gebühr 1 vom Hundert des jährlichen Miet- oder Pachtsolls, mindestens 5 DM.

(4) Andere Kontrolltätigkeiten können in den Durchführungsbestimmungen für gebührenpflichtig erklärt werden.

§ 17

Kontrollpflichtige, Bevollmächtigte, Beauftragte, Mieter und Pächter, die den Bestimmungen dieser Verordnung vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandeln oder sie durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts umgehen, werden mit Gefängnis bis zu einem Jahr und einer Geldstrafe bis zu 10 000 DM oder einer dieser Strafen bestraft. Der Versuch einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung ist strafbar.

§ 18

Die Abteilung Aufbau des Magistrats von Groß-Berlin ist berechtigt, Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung zu erlassen.

§ 19

Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung im Verordnungsblatt für Groß-Berlin in Kraft. Gleichzeitig treten die Anordnung über die Einzahlung von Miet- und Pachtgeldern vom 31. März 1949 und die dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen vom 20. April 1949 (VOBl. I S. 92 ) außer Kraft.

Berlin, den 27. Juli 1950

Der Magistrat von Groß-Berlin

Der Oberbürgermeister
In Vertretung
Arnold Gohr
Bürgermeister

Abteilung Aufbau
für Stadtrat Munter
M. Schmidt
Kämmerer