(StGBl. Öst., 12. Stück vom 4. Juli 1945, S. 65)
Liste der Änderungen: | |
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(I) | Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Oesterreichischen Nationalbank (Nationalbankgesetz 1955) vom 8. September 1955 (BGBl. Öst. Nr. 184) |
Die Provisorische Staatsregierung hat beschlossen:
Die Österreichische Nationalbank, die infolge der gewaltsamen Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich ihres Gold- und Devisenschatzes beraubt und durch die Überführung ihrer Bestände auf die Deutsche Reichsbank während der Dauer der Annexion außer Funktion gesetzt worden ist, ist kraft der Unabhängigkeitserklärung Österreichs wieder ins Leben getreten.
Da das bisherige Statut der Österreichischen Nationalbank infolge des Kriegszustandes bis zum Eintritt des Friedens sowie bis zu seiner gesetzlichen Neuordnung durch die künftige Volksvertretung nicht unverändert in Wirksamkeit bleiben kann, trifft die Provisorische Staatsregierung in Abänderung der bisherigen Satzungen die nachstehende einstweilige Regelung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Nationalbank.
§ 1. Die Leitung der Österreichischen Nationalbank wird in der Weise neu geordnet, daß der Präsident über Vorschlag der Provisorischen Staatsregierung und dessen Stellvertreter über Vorschlag des Staatsamtes für Finanzen durch den Staatskanzler ernannt werden.
§ 2. Der Generalrat besteht aus neun stimmberechtigten Mitgliedern, die über Vorschlag der Provisorischen Staatsregierung unter Bedachtnahme auf eine Vertretung der volkswirtschaftlich Gewicht habenden Interessen vom Staatskanzler ernannt wird. Den Vorsitz führt der Präsident, im Falle seiner Verhinderung der Vizepräsident.
§ 3. (1) Der Generalrat faßt über die Grundlinien der Kreditpolitik der Österreichischen Nationalbank Beschluß und überwacht ihre Einhaltung. Er hat den Entwurf einer neuen Satzung zu verfassen und der Provisorischen Staatsregierung als Gesetzentwurf vorzulegen. Hiebei ist auf den durch die Erfordernisse der Nachkriegswirtschaft gebotenen erweiterten Einfluß der Nationalbank auf die Kreditlenkung und Kreditüberwachung gebührend Bedacht zu nehmen.
(2) Die Beschlüsse des Generalrates sind unverzüglich der Provisorischen Staatsregierung vorzulegen.
§ 4. (1) Die Österreichische Nationalbank übernimmt jenen Teil des Banknotenumlaufes und der sofort fälligen Verbindlichkeiten der Deutschen Reichsbank, der durch Gesetz als österreichische Umlaufsmittel erklärt wird.
(2) Sie übernimmt die Gesamtheit der auf österreichischem Staatsgebiet befindlichen Aktiven der Deutschen Reichsbank, ferner ist sie berechtigt, alle Ansprüche geltend zu machen, die sich aus der Wegnahme des Barschatzes und der sonstigen Aktiven der Österreichischen Nationalbank sowie daraus ergeben, daß die Liquidation der Österreichischen Nationalbank widerrechtlich unternommen wurde.
(3) Für andere als die in Abs. (1) genannten Verbindlichkeiten der auf dem österreichischen Staatsgebiet befindlichen Anstalten der Deutschen Reichsbank kommt die Österreichische Nationalbank nur dann und insoweit auf, als sich aus der Befriedigung ihrer Ansprüche gegenüber dem Deutschen Reich und der Deutschen Reichsbank eine Überdeckung der unter Abs. (1) bezeichneten Verpflichtungen ergibt oder soweit dies durch ein Gesetz angeordnet wird.
(4) Die Österreichische Nationalbank ist berechtigt, als Deckung ihrer nach Abs. (1) zu übernehmenden Verpflichtungen vorerst eine Forderung gegen die Deutsche Reichsbank in gleicher Höhe in ihre Aktiven einzustellen.
§ 5. (1) Der nach § 4, Abs. (1), zu übernehmende Betrag von Banknoten und sofort fälligen Verbindlichkeiten darf bis zur Feststellung der endgültigen Satzungen der Österreichischen Nationalbank nicht überschritten werden.
§ 7. (1) Der Übergang von Aktiven der Deutschen Reichsbank auf die Österreichische Nationalbank erfolgt steuerfrei. Die erforderlichen Grundbuchseintragungen sind von den Gerichten auf Antrag der Österreichischen Nationalbank durchzuführen.
(2) Die Österreichische Nationalbank ist berechtigt, in den von ihr übernommenen, ihrem Geschäftsbetrieb gewidmeten Häusern, die nach dem 12. März 1938 geschaffenen Wohnungen wieder in Geschäftsräume umzuwandeln und die hiezu allenfalls erforderliche Kündigung von Bestandverträgen vorzunehmen.
Alle nach dem 12. März 1938 von der Deutschen Reichsregierung für das österreichische Staatsgebiet erlassenen Gesetze, Verordnungen und sonstige Anordnungen notenbankrechtlichen Inhalts, insbesondere das Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939, Deutsches R. G. Bl. I S. 1015, weiters die Verordnung zur Übernahme der Österreichischen Nationalbank durch die Deutsche Reichsbank vom 17. März 1938, Deutsches R. G. Bl. I S. 254, mit der Durchführungsverordnung über die Einführung der Reichsmarkwährung im Lande Österreich und zur Übernahme der Österreichischen Nationalbank durch die Reichsbank vom 23. April 1938, Deutsches R. G. Bl. I S. 405, (…) sind aufgehoben.
Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Provisorische Staatsregierung betraut.
Renner
Schärf Figl Koplenig
Honner Fischer Gerö Zimmermann
Buchinger Heinl Korp Böhm Raab