44. Gesetz vom 3. Juli 1945 über die Wiederaufnahme der Zahlungen der Kreditunternehmungen (Schaltergesetz).

(StGBl. Öst., 12. Stück vom 4. Juli 1945, S. 64)

Liste der Änderungen:
(I)Gesetz, womit eine Bestimmung des Schaltergesetzes abgeändert wird vom 17. Juli 1945 (StGBl. Öst. Nr. 91)
(II)2. Novelle zum Schaltergesetz vom 31. Juli 1945 (StGBl. Öst. Nr. 107)
Aufgehoben zum 2. Dezember 1945 durch:

Die Provisorische Staatsregierung hat beschlossen:

§ 1. Das Postsparkassenamt und alle anderen Kreditunternehmungen (Banken, Bankiers, Hypothekenanstalten, Girozentralen, Sparkassen und Kreditgenossenschaften) sind ermächtigt und beauftragt, ab 5. Juli 1945 den Zahlungsdienst gemäß den nachfolgenden Bestimmungen wieder aufzunehmen (Schalteröffnung).

Die Geldinstitute waren im zunächst sowjetisch besetzten Teil Österreichs bei Kriegsende geschlossen und die bisherigen Konten gesperrt worden.

§ 2. Für die vom Tage der Schalteröffnung an erfolgenden Bareinzahlungen auf Konto oder Sparbuch gilt:

  1. Solche Einlagen können ohne Beschränkung entgegengenommen und ohne Beschränkung im Rahmen der Statuten und Geschäftsbedingungen der Kreditunternehmungen zurückgezahlt werden. Auch kann über solche Einlagen durch Überweisung unbeschränkt verfügt werden.
  2. Das durch solche Einlagen in der Zeit vom 5. Juli 1945 bis 20. Juli 1945 neu hervorgekommene Vermögen und Einkommen darf nicht zum Anlaß oder Gegenstand eines Steuerstrafverfahrens genommen werden.
  3. Solche Einlagen werden bei einer im Zuge der bevorstehenden Wahrungsmaßnahmen vorgesehenen Abgabe gegenüber den Reichsbanknoten begünstigt behandelt.

§ 3.(1) Für die vor der Schalteröffnung bestehenden Einlagen gilt:

  1. Barauszahlungen von solchen Einlagen sind ohne Einschränkung auf einen Teilbetrag des Kontostandes bis zum Betrage von 150 ℛℳ im Monate für die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes solcher Personen zugelassen, die kein anderes zum Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen besitzen und infolge Alters, Invalidität, Krankheit oder Haushaltsverpflichtungen nicht befähigt sind, ein solches Einkommen durch Arbeit zu erwerben. Die Kreditunternehmungen können verlangen, daß dieser Tatbestand durch eine Bestätigung der zuständigen Ortsgemeindeverwaltung, in Wien des zuständigen magistratischen Bezirksamtes, nachgewiesen wird.
  2. Unter Beschränkung auf 40 Prozent des am Schalteröffnungstage bestehenden Aktivsaldos sind Barauszahlungen gegen Verwendungsnachweis bis auf weiteres zugelassen:

1. Für arbeitende oder arbeitsfähige Betriebe zur Bezahlung oder Bevorschussung von Löhnen und Gehältern bis zum Betrage von 200 ℛℳ im Monate für jeden Lohn- und Gehaltsempfänger,

2. für die Bezahlung von Krankengeldern und Renten durch Anstalten der Sozialversicherung bis zum Betrage von 150 ℛℳ für den Berechtigten im Monate,

3. für die Bezahlung von Spital- und Beerdigungskosten,

4. für die Bezahlung von Mietzinsen.

  1. Die Provisorische Staatsregierung nimmt in Aussicht, nach Maßgabe der fortschreitenden Gesundung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl weitere Verwendungen zuzulassen als auch die sonstigen Beschränkungen zu lockern.
  2. Gleichfalls unter Beschränkung auf 40 Prozent des am Schalteröffnungstage bestehenden Aktivsaldos kann über solche Einlagen durch Überweisung im Giroverkehr ohne Verwendungsnachweis verfügt werden. Es ist jedoch den Kreditunternehmungen bis zur Erlassung weiterer gesetzlicher Bestimmungen untersagt, solche Überweisungen von Konten vorzunehmen, deren Inhaber ihnen als Staatsangehörige des Deutschen Reiches oder als Personen bekannt sind, auf die § 17 des Verfassungsgesetzes vom 8. Mai 1945, St. G. Bl. Nr. 13, über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz) Anwendung findet. Sie haben geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sich die Kenntnis hievon zu verschaffen und können gegebenen Falles eine eidesstättige Erklärung hierüber verlangen.

(2) Nähere Bestimmungen zu Abs. (1) werden durch Verordnung erlassen.

§ 4.(1) Wer es vorsätzlich unternimmt, gegen die Bestimmungen des § 3 verstoßende Barauszahlungen oder Überweisungen zu erwirken, wird, wenn die Tat nicht nach einem anderen Strafgesetze strenger strafbar ist, wegen Verbrechens mit Kerker von ein bis fünf Jahren und mit einer Geldstrafe in unbeschränkter Höhe bestraft.

(2) Derselben Strafe verfällt, wer vorsätzlich gegen die Bestimmungen des § 3 verstoßende Barzahlungen oder Überweisungen vornimmt, anordnet oder hiebei in anderer Weise mitwirkt.

(3) Wer es vorsätzlich unternimmt, Barzahlungen, auf die er gemäß § 3, a und b, Anspruch hat, unter Vorschützung des gleichen in diesem Gesetze anerkannten Verwendungszweckes bei demselben oder bei verschiedenen Kreditinstituten mehrfach zu erreichen, wird, wenn die Tat nicht nach einem anderen Strafgesetze strenger strafbar ist, wegen Verbrechens mit Kerker von ein bis fünf Jahren und mit einer Geldstrafe in unbeschränkter Höhe bestraft.

(4) Derselben Strafe unterliegt, wer eine mehrfache Auszahlung der im Abs. (3) genannten Art vorsätzlich vornimmt, anordnet oder hiebei in anderer Weise mitwirkt.

(5) Wer eine der in den Abs. (1) bis (4) genannten Handlungen fahrlässig begeht, ist einer Übertretung schuldig und wird vom Gerichte mit Arrest von ein bis sechs Monaten und einer Geldstrafe bis zu 25.000 ℛℳ bestraft.

§ 5. Dieses Gesetz tritt am 5. Juli 1945 in Kraft.

§ 6. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist das Staatsamt für Finanzen, bezüglich des § 4 im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Justiz, betraut.

Renner

Schärf    Figl    Koplenig

Zimmermann    Gerö

Obiges Gesetz sowie die 1. und 2. Novelle stehen nicht auf der Liste der von der Alliierten Kommission für Österreich anerkannten Gesetze der Provisorischen Regierung. Seine Anwendung beschränkte sich in der Praxis auf das sowjetische Besatzungsgebiet.